Die Taxonomie wird erweitert – Mehr Handlungsdruck durch mehr Ausdifferenzierung

Die "EU Platform on Sustainable Finance" schlägt vor, dass zukünftig neutrale oder wenig umweltschädliche von signifikant umweltschädlichen Wirtschaftsaktivitäten unterschieden werden sollen.
Matthias Caspar-Bours,
Dr. Nils Christian Ipsen
Donnerstag, der 5. August 2021

Die EU Platform on Sustainable Finance (die “Plattform”) hat am 12. Juli 2021 ihren Entwurf für den “Public Consultation Report on Taxonomy extension options linked to environmental objectives veröffentlicht. Hierin schlägt die Plattform vor, das bisherige System der Taxonomie um zwei neue Klassifizierungskategorien zu erweitern. Sie will damit offensichtlich der Kritik entgegentreten, die Taxonomie unterstütze in ihrer gegenwärtigen binären Form nicht ausreichend die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft.

1. Das binäre System der EU Taxonomie

Das derzeitige System der EU-Taxonomie ist binär strukturiert. Wirtschaftsaktivitäten sind entweder nachhaltig oder nicht. Diese Struktur hat einen Nachteil: Innerhalb derjenigen Wirtschaftsaktivitäten, die keinen wesentlichen Beitrag zu einem der sechs Umweltziele leisten, wird nicht weiter ausdifferenziert. Konsequenz dessen ist, dass zahlreiche Wirtschaftsaktivitäten, die nicht oder nur sehr gering umweltschädlich sind oder überhaupt keine Umweltauswirkungen haben, nicht von solchen Wirtschaftsaktivitäten unterschieden werden können, die erheblich umweltschädlich sind. Diese fehlende Kennzeichnung von umweltschädlichen Aktivitäten führt dazu, dass der gewünschte Transformationsdruck nicht erreicht wird. Dies soll sich nun ändern.

2. Konzeption der Erweiterung

Nach den konzeptionellen Vorstellungen der Plattform soll die Taxonomie zukünftig alle Wirtschaftsaktivitäten in vier Boxen einteilen:

In die erste Box fallen die per se umweltschädlichen Wirtschaftstätigkeiten. Beim Klimaschutz zählt dazu die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen. Da es für diese Wirtschaftsaktivität keine technologische Möglichkeit gibt, ihre Auswirkungen auf die Umwelt positiv zu transformieren, gilt diese Aktivität bereits heute von vorneherein als umweltschädlich (Artikel 19 (3) TaxonomieVO).

In die zweite Box fallen alle Wirtschaftstätigkeiten, für die bereits technische Evaluierungskriterien entwickelt wurden. Konzeptionell neu ist, dass diese Wirtschaftsaktivitäten nunmehr in drei Leistungsniveaus unterteilt werden sollen: Nachhaltig (also „grün“) sind weiterhin Wirtschaftsaktivitäten, die einen signifikanten Beitrag („Significant Contribution“) zu einem der Umweltziele leisten und kein Umweltziel signifikant beeinträchtigen („Do no significant harm“). Solche Wirtschaftsaktivitäten, die zwar keinen signifikanten Beitrag leisten, jedoch auch kein Umweltziel signifikant beeinträchtigen, sollen zukünftig zu einem neuen mittleren („gelben“) Leistungsniveau gehören („Intermediate Performance“). Schließlich sollen alle Wirtschaftsaktivitäten, die einem Umweltziel schaden, in das unterste („rote“) Leistungslevel („Significantly harmful Performance“) fallen. Die Plattform distanziert sich dabei mit Blick auf den ethnischen Bezug von dem Begriff der „brown taxonomy“, der in der juristischen und politischen Diskussion bislang weit verbreitet war.

In die dritte Box fallen Wirtschaftsaktivitäten, für die erst mit zukünftigen delegierten Rechtsakten technische Evaluierungskriterien entwickelt werden. Sobald diese Wirtschaftsaktivitäten anhand von technischen Evaluierungskriterien klassifiziert werden können, fallen diese Aktivitäten in die zweite Box.

In die vierte Box fallen schließlich die restlichen Wirtschaftsaktivitäten, die nur geringe Auswirkungen auf die sechs von der Taxonomie erfassten Umweltziele haben („No significant Impact“). Für diese Tätigkeiten sind keine Evaluierungskriterien vorgesehen.

3. Transformationsinvestments innerhalb und zwischen den Leistungsniveaus

Von zentraler Bedeutung ist auch die Frage, wie Investitionen zu behandeln sind, die zu einer positiven Transformation einer Wirtschaftsaktivität führen. Denn Ziel dieser Erweiterung der Taxonomie ist es ja gerade, den Transformationsdruck auf umweltschädliche Wirtschaftsaktivitäten zu erhöhen.

Nach den Vorstellungen der Plattform soll gelten, dass das jeweils erreichte Leistungsniveau entscheidend ist. Führt eine Investition in eine „gelbe“ Wirtschaftsaktivität also dazu, dass diese Wirtschaftsaktivität zukünftig dem „grünen“ Leistungsniveau zuzuordnen ist, so ist bereits das Transformationsinvestment als grün zu qualifizieren.

Fraglich ist dann allerdings, wie Investitionen zu behandeln sind, die zwar zu einer Verbesserung der Umweltleistung führen, jedoch ein neues Leistungsniveau nicht erreicht wird. Für das rote Leistungsniveau gilt, dass – unabhängig von einer Verbesserung der Umweltleistung – stets alle Investitionen in eine rote Wirtschaftsaktivität ihrerseits umweltschädlich sein sollen. Demgegenüber erwägt die Plattform, Investitionen innerhalb des gelben Leistungsniveaus anders zu behandeln. Nach der Vorstellung der Plattform wäre es denkbar, wenn Aktivitäten, die ihren Ausgangspunkt im gelben Leistungsniveau haben und zu keiner Transformation zu dem grünen Leistungsniveau führen, dennoch als grün zu qualifizieren sind. Dies könne zum Beispiel von weiteren Voraussetzungen wie einem tätigkeitsspezifischen Übergangsplan zur weiteren Verbesserung der Umweltleistung abhängig gemacht werden.

4. Gesonderte Behandlung von NSI-Aktivitäten

Um den Transformationsdruck auf die wirklich schädlichen Wirtschaftsaktivitäten zu erhöhen, ist es nach Ansicht der Plattform außerdem notwendig, Wirtschaftsaktivitäten ohne signifikante Umwelteinwirkungen („no significant impact („NSI“)) von schädlichen Umweltaktivitäten abzugrenzen. Nach der Vorstellung der Plattform soll es sich hierbei um Aktivitäten handeln, die kein Risiko einer erheblichen Beeinträchtigung eines der sechs EU-Umweltziele bergen.

Mit Blick auf die ganz erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der NSI-Aktivitäten, ist die Plattform allerdings auch der Ansicht, dass für NSI-Wirtschaftsaktivitäten Mindestumweltanforderungen entwickelt werden sollen. Hierbei soll allerdings nach der Größe der Unternehmen differenziert werden.

5. Ausblick

 Der Report der Plattform befindet sich derzeit in einem Entwurfsstatus. In einem nächsten Schritt wird die Plattform bis zum 27. August 2021 Stakeholder-Feedback zu dem Entwurf einholen und im Herbst 2021 der Kommission einen Abschlussbericht mit ihren Empfehlungen vorlegen. Bis zu einer Entscheidung der Kommission darüber, ob und wie die Taxonomie erweitert werden soll, wird es voraussichtlich noch einige Monate dauern. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass die Empfehlungen der Plattform die Kommission maßgeblich leiten, so dass der Entwurf der Plattform eine gute Indikation für die weitere Entwicklung der Taxonomie ist.

 

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