Von der Kür zur Pflicht: Nachhaltigkeit hält Einzug in CRR und CRD

Am 6. Dezember 2023 wurde auf EU-Ebene das aktuelle Bankenpaket final verabschiedet, mit dem erstmals verbindliche Vorgaben zum Umgang mit und zur Offenlegung von ESG-Risiken in CRD und CRR verankert werden.
Dr. Nina Scherber,
Jessica Glaser
Mittwoch, der 10. Januar 2024

Worum geht es?

Der Gesetzgebungsprozess zum aktuellen Bankenpaket (zum Kommissionsvorschlag aus 2021 vgl. Blog lindenpartners) ist auf europäischer Ebene zum Abschluss gekommen. Mit Datum vom 6. Dezember 2023 wurden als Ergebnis der Trilogverhandlungen finale Einigungsfassungen der CRD sowie der CRR veröffentlicht. Formal handelt es sich zwar weiterhin lediglich um Entwürfe, da die Abstimmung im ECON darüber noch aussteht. De facto gelten die Texte jedoch als hinreichend belastbar und es muss, um die Umsetzungsfristen einhalten zu können, bereits auf Basis dieser Entwürfe mit der Umsetzung begonnen werden.

Einige ausgewählte Aspekte des Bankenpakets stellen wir in unserer Blogreihe zum Bankenpaket vor:

Teil 1: Verbindliche Verankerung von Nachhaltigkeitsaspekten in CRR und CRD

In Umsetzung ihrer Ankündigungen aus dem Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ aus 2018 sowie ihrer neuen Sustainable Finance Strategie aus 2021 hatte die EU-Kommission in ihre Vorschläge zur Änderung der CRR und CRD erstmals Vorgaben zu Nachhaltigkeitsaspekten aufgenommen. In den Trilogverhandlungen haben diese Vorschläge noch Änderungen erfahren.

Änderungen der CRR durch die finale Einigungsfassung

1. Definition von ESG-Risiken

Die harmonisierten Definitionen in Art. 4 (1) Nr. 52d-52i CRR für die verschiedenen Arten von ESG-Risiken (ESG-Risiko, Umweltrisiko, physisches Risiko, Übergangsrisiko, soziales Risiko, Governance-Risiko) wurden in der finalen Einigungsfassung geändert bzw. ergänzt. So wurde das in der Kommissionsfassung per Definition noch vorausgesetzte Verlustrisiko in der finalen Fassung gestrichen. Somit liegt nunmehr ein ESG-Risiko bereits dann vor, wenn sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen Auswirkungen von ESG-Faktoren (siehe dazu unten) auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ein Risiko negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut ergibt. Klargestellt wird in der finalen Definition zudem, dass ESG-Risiken durch die traditionellen Kategorien finanzieller Risiken zum Tragen kommen und damit keine neue Risikokategorie bilden.

Ein ESG-/ Umwelt-/ physisches/ Übergangs-/ soziales oder Governance-Risiko bezeichnet somit das Risiko negativer finanzieller Auswirkungen auf das Institut, die sich aus den gegenwärtigen oder voraussichtlichen Auswirkungen von

  • Umwelt-, Sozial- oder Governance-Faktoren (ESG),
  • Umweltfaktoren,
  • physischen Effekte von Umweltfaktoren,
  • des Übergangs zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft,
  • sozialer Faktoren oder
  • Governance-Faktoren

auf die Gegenparteien oder die investierten Vermögenswerte des Instituts ergeben.

Der Begriff der ESG-Faktoren wird in Art. 4 CRR nicht formal definiert. Erläuterungen und Beispiele enthält jedoch ErwG 54 der Einigungsfassung zur CRR, der diese als Umwelt-, Sozial- oder Governance-Faktoren beschreibt, die sich positiv oder negativ auf die finanzielle Leistungsfähigkeit oder Solvenz eines Unternehmens, Staates oder einer Person auswirken können (z.B. Treibhausgasemissionen, Biodiversität, Menschenrechte oder Rechte/Pflichten/Vergütung von Führungskräften).

2. Meldepflichten in Bezug auf ESG-Risiken

Die in Art. 430 (1) CRR geregelten Meldepflichten (Eigenmittelanforderungen, Leverage Ratio LCR, Großkreditmeldungen, etc.) werden um eine Meldepflicht mit ESG-Bezug ergänzt. So sind gem. Art. 430 (1) lit. h CRR künftig auch Risikopositionen mit Bezug zu ESG-Risiken („exposure to ESG-risks“) zu melden. Mit der finalen Einigungsfassung wird nunmehr klargestellt, dass diese Meldung sowohl bestehende und neue Engagements in Unternehmen des Sektors der fossilen Brennstoffe (Art. 4 (1) Nr. 152a CRR) als auch Expositionen gegenüber physischen Risiken (Art. 4 Abs. 1 Nr. 52f CRR) und Übergangsrisiken (Art. 4 (1) Nr. 52g CRR) umfasst, sich jedoch nicht auf diese beschränkt. Als Begründung für die Ausweitung der Transparenz auf Engagements in fossile Brennstoffe wird auf deren höheres Risiko für die Institute sowie für die finanzielle Stabilität verwiesen (vgl. ErwG 56 der Einigungsfassung zur CRR).

Wie auch für die übrigen Meldeverpflichtungen bedarf es für die Meldungen der ESG-Risikopositionen einer Konkretisierung durch die EBA, auf deren Basis die Kreditinstitute ihre Meldungen vornehmen können. Die neue Meldepflicht dürfte deshalb gem. Art. 430 (7) 2. UA CRR erst sechs Monate nach Inkrafttreten eines diese Meldepflicht konkretisierenden EBA RTS Anwendung finden.

3. Ausweitung der Säule 3-Offenlegung von ESG-Risiken

Die bislang nur für große Institute mit börsennotierten Emissionen geltende Offenlegungspflicht nach Art. 449a CRR wird – wie bereits im Kommissionsvorschlag vorgesehen – auf alle Institute ausgeweitet. Die finale Einigungsfassung enthält neben redaktionellen Anpassungen in S. 2 Vorgaben für bestimmte Informationsinhalte für die Offenlegung. Hiernach haben Institute künftig u.a. den Gesamtbetrag der Forderungen an Unternehmen des Sektors der fossilen Brennstoffe offenzulegen. Außerdem ist zu berichten, wie sie die ermittelten ESG-Risiken in ihre Geschäftsstrategie und -prozesse sowie in die Unternehmensführung und das Risikomanagement einbeziehen. Die offenzulegenden Informationen sollen allerdings nicht über die ohnehin gem. Art. 430 CRR zu meldenden Daten hinausgehen.

Konkretisierungen sowie einheitliche Offenlegungsformate werden über technische Durchführungsstandards (ITS) festgelegt. Diese sollen von der EBA unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips insbesondere in Hinblick auf kleine und nicht-komplexe Institute („SNCI“) ausgearbeitet werden.

4. Ausweitung und Aufteilung des bestehenden EBA-Mandates zur Eigenmittelunterlegung in Säule 1

Art. 501c CRR in der bisherigen Fassung wies der EBA die Prüfung der Frage zu, ob eine spezielle aufsichtsrechtliche Behandlung von Risikopositionen im Zusammenhang mit Vermögenswerten oder Tätigkeiten, die im Wesentlichen mit ökologischen und/ oder sozialen Zielen verbunden sind, gerechtfertigt wäre.

Entsprechend – und möglicherweise aufgrund des im Kommissionsentwurf genannten Fälligkeitsdatums 2023 – hatte die EBA dazu am 12. Oktober 2023 einen Bericht vorgelegt (Blog_lindenpartners), der zu dem Ergebnis kam, dass vorerst keine risikogewichteten Anpassungsfaktoren für Umwelt und soziale Risiken eingeführt werden sollten.

Nach der finalen Einigungsfassung soll die EBA unter dem Mandat aus Art. 501c CRR nunmehr u.a. prüfen, ob die spezielle aufsichtliche Behandlung von Risiken im Zusammenhang mit Vermögenswerten oder Verbindlichkeiten, die Auswirkungen von ökologischen oder sozialen Faktoren ausgesetzt sind, angepasst werden muss. Aufgrund der Komplexität des Themas sieht die finale Einigungsfassung hierfür eine zeitlich gestaffelte Vorlage von Teilberichten vor.

Änderungen der CRD durch die finale Einigungsfassung

1. Berücksichtigung von ESG-Risiken in Strategien, internen Prozessen und Risikomanagement

Bereits der Kommissionsvorschlag zur Änderung der CRD sah vor, dass Institute künftig die kurz-, mittel-, und langfristigen Horizonte von ESG-Risiken in ihre Strategie- und Risikomanagementprozesse aufzunehmen haben (Art. 73, 74 CRD) und das Leitungsorgan spezifische Pläne und quantifizierbare Ziele zur Bewältigung von ESG-Risiken zu entwickeln hat (Art. 76 (2) UA 1 CRD). Die finale Einigungsfassung dehnt nun zum einen die Entwicklungspflicht in Art. 76 (2) UA 1 CRD auf entsprechende Verfahren aus. Zum anderen tritt neben die Entwicklungspflicht auch noch eine Überwachungspflicht des Leitungsorgans in Bezug auf die entwickelten Pläne. Daneben konkretisiert die finale Einigungsfassung den Risikobegriff, der diesen Plänen zugrunde zu legen ist.

Neu aufgenommen wurden mit Art. 76 (2) UA 2 CRD ferner die Anforderung der Übereinstimmung und Kohärenz der vorgenannten Planungen mit den sog. Übergangsplänen nach der CSRD. In letzteren ist insbesondere zu beschreiben, wie die Unternehmenspläne mit dem Abkommen von Paris zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C sowie dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 im Einklang stehen. Kreditinstitute, die der CSRD-Berichtspflicht unterfallen, müssen deshalb künftig diese regulatorische Schnittstelle im Blick haben.

Eine weitere Änderung mit ESG-Bezug findet sich in Art. 76 (4) CRD: Hiernach hat der Risikoausschuss u.a. explizit zu prüfen, ob die durch das Vergütungssystem gebotenen Anreize auch den Auswirkungen von ESG-Risiken Rechnung tragen.

Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf kleine und nicht komplexe Institute (SNCIs) können die Mitgliedstaaten angeben, in welchen Bereichen eine Ausnahmeregelung oder ein vereinfachtes Verfahren angewandt werden kann.

2. Einführung einer Nachhaltigkeitsdimension in den aufsichtlichen Rahmen/SREP

Weitere Änderungen und Ergänzungen mit ESG-Bezug wurden in den Art. 87a, 98 und 104 CRD vorgenommen, um den zuständigen Aufsichtsbehörden die entsprechende Überwachung und Bewertung der neu in den Art. 73, 74 und 76 CRD verankerten Pflichten mit ESG-Bezug zu ermöglichen. Ferner sind die Vorgaben zu den Stresstests sowie die Aufträge an die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) zur Ausarbeitung und Entwicklung von Leitlinien zu Stresstests und SREP entsprechend ergänzt und ausgeweitet worden.

Ab wann gelten die neuen Vorgaben der CRR und CRD mit ESG-Bezug?

Mit Ausnahme der Meldevorschriften in Art. 430 CRR, die bereits ab dem 30. Juni 2024 gelten, sind die Vorgaben der CRR ab dem 1. Januar 2025 anzuwenden. Die Vorgaben der CRD müssen von den Mitgliedstaaten innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie umgesetzt werden.

Wesentlicher Handlungsbedarf?

Grundsätzlich fordern bereits die neuen MaRisk eine intensive und explizite Befassung mit ESG-Risiken und deren Auswirkungen. Die von der CRD vorgesehenen Anpassungen führen diese Anforderungen weiter.

Neu und wenig konturiert ist die Meldepflicht nach Art. 430 (1) lit. h CRR. Hier müssen die Entwürfe der EBA abgewartet werden, um Klarheit über die erforderlichen Daten zu erhalten.

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