Freie Fahrt für Männer?- Koalition will keine neuen Frauenquoten für Führungskräfte

Die neue Koalition hat sich entgegen vielfältigen Erwartungen überraschenderweise gegen ein Tempolimit auf Autobahnen entschieden. Auf deutschen Autobahnen soll weiter gelten: „Freie Fahrt für freie Bürger“. Ebenso verblüffend ist, dass im Koalitionsvertrag nicht nur jedes Wort zu Corporate Sustainable Governance fehlt. Auch verbindliche Vorgaben im Hinblick auf die Erhöhung der Frauenquote in den Leitungsgremien deutscher Unternehmen sucht man dort vergebens.
Dr. Matthias Birkholz
Freitag, der 10. Dezember 2021

Unternehmerische Freiheit der Männer, unter sich zu bleiben

SPD und Grüne hatten vor der Wahl zwar noch versprochen, die Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände bei börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen auszuweiten. Wirkmächtig geworden ist aber – wie beim Tempolimit – auch insoweit die Position der FDP, die gesetzliche Freiheitseinschränkungen zugunsten aus gesamtgesellschaftlicher Sicht wertvoller Ziele in jüngerer Zeit pauschal ablehnt.

Das Schweigen des Koalitionsvertrags legt nahe, dass die „unternehmerische Freiheit der Männer“, Führungspositionen unter sich zu besetzen, in Deutschland vorerst kaum durch weitere gesetzliche Quoten eingeschränkt werden wird. Das ist bedauerlich.

Deutschland befindet sich im Hinblick auf die Zahl von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten in einem beklagenswerten Zustand. Zwar haben sich im vergangenen Jahr bei den Vorstandsbesetzungen im Vorgriff auf das Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) die Zahlen etwas verbessert. Jenseits dieser positiven Veränderungen auf Vorstandsebene herrscht aber Stagnation bei der Entwicklung in den Aufsichtsräten, kaum Bewegung bei den Ausschussbesetzungen und wenig Verbesserung bei den Zielgrößen. Von der Situation bei kleineren Unternehmen ganz zu schweigen. Klar ist: Frauen sind in den entscheidenden Machtpositionen in Unternehmen in Deutschland immer noch himmelschreiend unterrepräsentiert. International schneidet Deutschland beschämend schlecht ab.

Quoten helfen

Feste Quoten sind zur Verbesserung dieser Situation kaum das alleinige Mittel. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Rahmenbedingungen, die insoweit zusätzlich verbesserungswürdig sind. Angesichts der bislang mehr als schleppenden Verbesserung der Situation in Deutschland sind Quoten aber offenbar immerhin ein geeignetes Mittel dafür, dass sich in Deutschland überhaupt etwas tut im Hinblick auf mehr Diversity in Leitungsgremien von Unternehmen.

Leider hat man sich bislang insoweit auf mehr oder wenige symbolische Gesetzgebung beschränkt. So gelten mit dem FüPoG II zwar seit August 2021 weitere gesetzliche Quotenvorgaben in den Vorstands- und Aufsichtsgremien deutscher Unternehmen – allerdings weiter nur für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen. Das aber ist kaum mehr als Kosmetik. Nur 106 Unternehmen sind in Deutschland börsennotiert und paritätisch mitbestimmt, nur etwa 25 davon haben keine Frau im Vorstand.

Hoffnung auf die Selbstheilungskräfte des Marktes

Frauen müssen daher in Deutschland wohl doch auf die Selbstheilungskräfte des Marktes hoffen. Und immerhin da tut sich Einiges. So hat die Investmentbank Goldman Sachs bereits zu Beginn des vergangenen Jahres auf dem World Economic Forum in Davos angekündigt, künftig nur Börsenkandidaten zu unterstützen, deren Board mindestens eine Frau aufweist, ab dieses Jahr sollen es zwei sein. Hinzu kommt, dass auch Private Equity-Häuser zunehmend bei ihren Investments einen bestimmten Frauenanteil beim Target und bei ihren Dienstleistern fordern. Und bei Vergabeentscheidungen wird Diversity zunehmend zu einem wichtigen Vergabekriterium.

Die Zeiten, in den Unternehmen es sich leisten konnten, im Hinblick auf die Repräsentanz von Frauen in Führungsgremien mit „Zielgröße Null“ zu operieren, sind daher auch ohne entsprechende Gesetzesinitativen der neuen Koalition vorbei.

Dieser Beitrag ist auch als Kolumne des Autors in der Ausgabe 8/2021 des Venture Capital Magazins erschienen. 

 

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