Das BMF zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Kryptowährungen und Token

Mit einem Schreiben zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Kryptoassets will das BMF in vielen Punkten Rechtssicherheit schaffen. Wir geben einen ersten Überblick über den Entwurf.
Dr. Sophia Schwemmer,
Dr. Thomas Asmus,
Georg Schäfer
Montag, der 28. Juni 2021

Das BMF äußert sich zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Krypto-Assets

Die ertragsteuerrechtliche Behandlung von Geschäften mit Kryptowährungen und anderen tokenisierten Vermögensgegenständen war bislang von Rechtsunsicherheit geprägt. Die steuerliche Einordnung der Einkünfte basierte im Wesentlichen auf Literaturmeinungen; zahlreiche Detailfragen waren ungeklärt. Das BMF hat nun den Entwurf eines Schreibens zu diesem Thema veröffentlicht, mit dem in vielen Punkten Rechtssicherheit geschaffen werden soll. Derzeit werden die Verbände zu dem Entwurf angehört. Das Ministerium hat sich mit den verschiedenen Arten von Token, der Funktionsweise der Technologie und den Geschäftskonzepten intensiv auseinandergesetzt und gibt auch auf Detailprobleme wie Forks und Airdrops Antworten. Das ist für sich genommen schon ein wichtiger Schritt nach vorne. Einige Punkte müssen aber diskutiert werden, auch mit Bezug auf Deutschland als Kryptostandort im internationalen Vergleich sowie die Frage, ob die Anwendung bestehender steuerrechtlicher Regelungen den Herausforderungen der neuen Technologie hinreichend Rechnung trägt: insbesondere die Regelungen zum Staking und Mining werden von vielen in der Krypto-Community kritisiert.

Veräußerungsgewinne: Gewerblicher Handel oder privates Veräußerungsgeschäft

Gewinne aus der Veräußerung von im Betriebsvermögen gehaltenen Kryptowährungen sind immer steuerpflichtig, während bei privaten Veräußerungsgeschäften nach einer Haltefrist von einem Jahr im Grundsatz die Steuerfreiheit winkt (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, vor Ablauf der Haltefrist Besteuerung zum allgemeinen Tarif). Entsprechend kann die Frage, ab wann nicht mehr von einer privaten Vermögensverwaltung, sondern von einem gewerblichen Handel auszugehen ist, von großer Relevanz sein. Das BMF will hier in Anlehnung an die Rechtsprechung zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel nicht schon aufgrund häufiger An- und Verkäufe eine gewerbliche Tätigkeit annehmen, selbst wenn diese einen größeren Umfang erreichen. Vielmehr soll das Traden mit Kryptowerten erst dann in eine gewerbliche Tätigkeit umschlagen, wenn sich der Steuerpflichtige „wie ein Händler“ bzw. „bankentypisch“ verhalte und einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nutze.

Das sind erst einmal gute Nachrichten für Privatanleger, die in erheblichem Umfang mit Kryptowerten handeln: sie können grundsätzlich nach einem Jahr steuerfrei verkaufen (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Für die Verwendungsreihenfolge kann nach dem Entwurf des BMF entweder auf eine Betrachtung der einzelnen konkret veräußerten Token oder auf die FiFo-Methode (First in – First out) abgestellt werden.

Staking und Lending: Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre

Die Haltefrist für die Steuerfreiheit bei privaten Veräußerungsgeschäften verlängert sich allerdings nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Satz 4 EStG auf zehn Jahre, wenn die Kryptowerte als Einkunftsquelle genutzt werden und zumindest in einem Kalenderjahr hieraus Einkünfte erzielt worden sind. Eine solche Nutzung von Token als Einkunftsquelle liegt einerseits beim Lending, d.h. bei der Überlassung von Kryptotoken zur Nutzung gegen Entgelt vor. Aber auch das sog. Staking fällt nach Auffassung des BMF unter diesen Tatbestand. Beim Staking werden Teilnehmer für das langfristige Halten von Kryptowährungen während einer bestimmten Sperrzeit mit zusätzlichen Einheiten der jeweiligen Kryptowährung belohnt. Das Staking von Kryptotoken ist auch erforderlich, um einen sog. Masternode zu betreiben, der Transaktionen auf der Blockchain gegen eine Vergütung verifiziert. Das Halten der Kryptowährung führt in beiden Fällen zur Zuteilung weiterer Token; die Kryptowährung dient so als Einkunftsquelle. Die verlängerte Spekulationsfrist macht das Staking von Token im Privatvermögen steuerlich weniger attraktiv und wird entsprechend in der Krypto-Szene scharf kritisiert.

Ursprünglich diente die Regelung zur Verlängerung der Spekulationsfrist auf zehn Jahre der Vermeidung bestimmter Steuersparmodelle. Anlass der Regelung waren Container-Leasing-Modelle, die der Umgehung der Veräußerungsgewinnbesteuerung dienten. Der Wortlaut der Norm ist allerdings deutlich weiter geraten und erfasst jedwede Nutzung eines Wirtschaftsguts als Einkunftsquelle. Die Handhabung des Staking und Lending durch das BMF entspricht somit dem Gesetzwortlaut – ob sie dem Kryptostandort Deutschland zuträglich ist, steht aber auf einem anderen Blatt. Auch muss die Frage diskutiert werden, ob es für neue Technologien nicht auch neue steuerliche Rahmenbedingungen braucht.

Mining: Anschaffungsvorgang und Vermutung der Gewerblichkeit

Auch die Behandlung des Mining hätte günstiger für die Steuerpflichtigen ausfallen können. Die Zuteilung von Token als Rewards und als Transaktionsgebühren im Rahmen des Mining stellt nach Auffassung des BMF einen Anschaffungsvorgang dar; die beim Mining erhaltenen Token können somit – anders als in der Literatur mitunter vertreten – nicht als selbst hergestellte Wirtschaftsgüter eingeordnet werden. Ferner wird beim Mining widerlegbar vermutet, dass der Steuerpflichtige das Mining als gewerbliche Tätigkeit betreibt.

Zusammengenommen bedeutet das: Die als Reward für das Mining und als Transaktionsgebühren erhaltenen Token werden regelmäßig als zum Marktpreis im Zeitpunkt der Zuteilung angeschafftes Betriebsvermögen eingeordnet (und nicht etwa mit den „Herstellungskosten“ angesetzt). Damit sind sowohl die unmittelbaren Gewinne aus dem Mining (Rewards und Transaktionsgebühren) als auch etwaige Wertsteigerungen der erhaltenen Token als Gewinne aus Gewerbebetrieb steuerpflichtig; eine steuerfreie Veräußerung ist bei Token im Betriebsvermögen auch bei Ablauf von Haltefristen nicht möglich.

Der Steuerpflichtige kann zwar weiterhin nachweisen, dass er aufgrund der hohen Kosten für Energie und Hardware das Mining entweder nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt oder sich die Tätigkeit dem Umfang nach im Rahmen privater Vermögensverwaltung hält. Letzteres kann insbesondere beim Proof of Stake-Verfahren in Betracht kommen. Sollte danach keine Gewerblichkeit vorliegen, so sind die Einkünfte aus dem Mining aber ebenfalls steuerpflichtig, und zwar als sonstige Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG. Das wurde in der Literatur bislang verbreitet anders gesehen, weil kein klassisches zweiseitiges Gegenleistungsverhältnis zwischen der Leistung des Miners und der Auszahlung der Rewards bestehe; nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es aber ausreichen, dass der Miner den Reward im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit annimmt. Diese Beurteilung gilt entsprechend für die im Zuge des Staking zusätzlich erhaltenen Kryptotoken sowie für Einkünfte aus dem Lending. Hinsichtlich der Veräußerung der im Zuge des Mining erhaltenen Token setzt der Anschaffungsvorgang die Haltefristen des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in Gang, d.h. auch spätere Wertsteigerungen können erst nach einer Haltedauer von einem Jahr steuerfrei realisiert werden.

Einkünftequalifikation bei Utility und Security Token

Diese Besteuerungsgrundsätze gelten nicht nur für Kryptowährungen, sondern auch für viele Utility und Security Token, die im Rahmen eines ICO bzw. STO erworben werden. Allerdings ist hier hinsichtlich der Einkünftequalifikation nach dem genauen Inhalt der Token zu differenzieren: Bei tokenisierten Schuldverschreibungen verkörpert der Token oftmals eine Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, so dass die Einkünfte der Kapitalertragsteuer unterfallen. Etwas anderes gilt, wenn der Token ausschließlich einen Anspruch auf Lieferung von Kryptowährungen verkörpert: Hier will das BMF die Rechtsprechung zu sog. XETRA-Gold-Zertifikaten übertragen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Sachforderung annehmen. Dann handelt es sich für Privatanleger wiederum um sonstige Einkünfte und können die Token nach Ablauf der Haltefrist von einem Jahr steuerfrei veräußert werden.

Erhalten Arbeitnehmer Token verbilligt oder unentgeltlich, kann eine Geldleistung oder ein Sachbezug vorliegen; Sachbezüge sind dabei bis zu einer Höhe von monatlich 44 EUR (ab 1. Januar 2022: 50 EUR) steuerfrei. Die Token fließen dem Arbeitnehmer grundsätzlich erst bei Einbuchung in seine Wallet zu. Bei der Bewertung scheint das BMF aber auf den Zeitpunkt der Einräumung des Anspruchs abstellen zu wollen. Damit wäre es ggf. möglich, die Steuerlast für Arbeitnehmer zu minimieren, indem der Anspruch bereits weit vor dem eigentlichen Tokensale zu einem entsprechend noch sehr geringen Wert eingeräumt wird. Insoweit wäre jedoch eine Klarstellung wünschenswert.

Airdrops und Forks

Das BMF beschäftigt sich auch mit Airdrops und Forks. Bei einem Airdrop handelt es sich regelmäßig um eine Marketingmaßnahme, bei denen Teilnehmern zusätzliche Token zugeteilt werden. Regelmäßig müssen sie dafür zwar kein Entgelt in gesetzlicher oder in Kryptowährung zahlen; das BMF geht aber davon aus, dass die Zuteilung meist gegen Überlassung von Daten oder für das Hochladen von Inhalten wie Fotos etc. erfolgt. Dann liegen ebenfalls steuerpflichtige sonstige Einkünfte vor, für deren Bewertung der Marktkurs im Zeitpunkt des Erwerbs maßgeblich ist. Wenn es tatsächlich einmal an einer Gegenleistung fehlt, kommt eine (ggf. schenkungsteuerpflichtige) Schenkung in Betracht. Es wird zu überlegen sein, welche Schlussfolgerungen aus dieser Einordnung des BMF für die Bewertung von Datenerhebungen in anderen datenbasierten Geschäftsmodellen zu ziehen sind.

Die im Rahmen eines Forks, d.h. bei einer Aufspaltung der der Kryptowährung zugrundeliegenden Blockchain erhaltenen Einheiten der neu geschaffenen Kryptowährung gelten hingegen als entgeltlich angeschafft. Die Anschaffungskosten der vor dem Fork gehaltenen „alten“ virtuellen Währung sind im Verhältnis der Marktkurse der „alten“ und „neuen“ virtuellen Währung im Zeitpunkt des Forks auf die alten und die neuen Token aufzuteilen.

Laufende Anpassungen geplant

Das BMF deckt mit seinem Entwurf schon eine Vielzahl von Detailfragen ab. Bereits jetzt ist aber klar, dass die dynamische Krypto-Branche mit ihren immer neuen Geschäftsmodellen laufend neue Fragen aufwerfen wird. Daher soll sich auch nach Veröffentlichung des endgültigen Schreibens eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe regelmäßig mit den Themen der Krypto-Besteuerung befassen. Das BMF will also mit der Geschwindigkeit der Krypto-Szene Schritt halten – das ist jedenfalls sehr zu begrüßen. Gleichzeitig sollte aber auch überlegt werden, neue Wege zu gehen in der Besteuerung. Denn oftmals passen die Regelungen für „klassische Kapitalanlageprodukte“ nicht zwingend 1 zu 1 auf neue Blockchain-basierte Produkte.

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