Das Bankenpaket 2021: Ein Meilenstein auf dem Weg zur Harmonisierung des Fit & Proper-Regimes?

Am 27. Oktober 2021 hat die Europäische Kommission ihr Bankenpaket 2021 vorgelegt, welches auch eine EU-weite Harmonisierung des Fit & Proper-Regimes anstrebt. Dies soll insbesondere die Widerstandsfähigkeit des Bankensektors gegenüber wirtschaftlichen Schocks stärken.
Dr. Nina Scherber,
Dr. Anne-Sophie Landwers
Donnerstag, der 27. Januar 2022

Basel III und das Bankenpaket 2021

Nach mehreren Verzögerungen hat die Europäische Kommission („Kommission“) am 27. Oktober 2021 ihre Legislativvorschläge zur Finalisierung der Umsetzung der Basel-III-Vereinbarung in der EU vorgelegt. Das Bankenpaket 2021 („Bankenpaket“) stellt dabei eine umfassende Überarbeitung der europäischen Bankenvorschriften – insbesondere der Eigenkapitalverordnung (CRR) und Eigenkapitalrichtlinie (CRD)dar. Die Neuerungen in der CRD umfassen, neben Änderungen in Bezug auf die Eigenmittelanforderungen und dieStärkung der Beaufsichtigung von Zweigstellen von Drittstaats-Instituten (sog. Third Country Branches) sowie Vorgaben zur Einbeziehung von ESG-Risiken (siehe dazu den Blogbeitrag vom 8. November 2021), auch Regelungen zur Eignung(sbeurteilung) von Geschäftsleitern und Personen in Schlüsselpositionen („Fit & Proper“).

Die Eignung von Führungspersonen als Stabilitätsaspekt des Bankensektors

Ziel des Bankenpakets, bzw. von BaselIII insgesamt, ist, den EU-Bankensektor widerstandsfähiger gegenüberwirtschaftlichen Schocks und damit zukunftsfähig(er) zu machen. Mit Umsetzung der Baseler Vorschläge sollerreicht werden, dass Banken auch in Zukunft eine zuverlässige und nachhaltige Finanzierungsquelle für die EU-Wirtschaft darstellen.

Einen entscheidenden Faktor hierfür sieht die Kommission in einem soliden Fit & Proper-Rahmen für die Bewertung der Eignung von Mitgliedern des Leitungsorgans und Inhabern von Schlüsselfunktionen. Denn nur so könne sichergestellt werden, dass die Institute angemessen geführt und ihre Risiken angemessen gesteuert werden (Erwägungsgrund 37 zum Kommissionsvorschlag CRD VI). Fit & Proper bezeichnet hierbei die Eignungsprüfung, von Personen in Führungs- und Schlüsselpositionen im Bankensektor für das von ihnen bekleidete Amt. Dazu zählen insbesondere fachliche Kenntnisse, Erfahrungen, zeitliches Engagement, Integrität, Zuverlässigkeit und Unvoreingenommenheit sowie – im Hinblick auf die Zusammensetzung der Leitungsorgane – Wissensverteilung, die Anzahl der Personen im Leitungsorgan sowie deren Diversität (zum Thema Diversity im Fit & Proper-Test siehe Blogbeitrag vom 19. August 2021).

Weder fit noch proper und ganz und gar nicht harmonisch?

Allerdings stellt die Fit & Proper-Prüfung – nach eigener Aussage der Kommission – bislang einen der am wenigsten harmonisierten Bereiche des EU-Bankenaufsichtsrechts dar: Die fragmentierte Regulierungslandschaft und die hieraus folgenden sehr unterschiedlichen Anforderungen an die Eignungsprüfung von Leitungspersonen sei ein besonders akutes Problem im Zusammenhang mit der Bankenunion. So hat etwa das Fehlen einer klaren Definition der „Inhaber von Schlüsselfunktionen“ zur Folge, dass einige Aufsichtsbehörden bislang bereits bei der Identifikation, der einer Prüfung zu unterziehenden Akteure an ihre Grenzen stoßen und ein Fit & Proper-Test teilweise dort ausbleibt, wo er notwendig wäre. Die Mitglieder des Leitungsorgans werden häufig erst einige Zeit nach ihrer Ernennung oder im Falle von Inhabern von Schlüsselfunktionen überhaupt nicht auf ihre Eignung überprüft. Teilweise nehmen Mitglieder des Leitungsorgans, die die Eignungskriterien nicht erfüllen, ihre Aufgaben bereits seit langer Zeit wahr, was insbesondere für große Institute problematisch ist. Gleichzeitig unterscheiden sich die bei der Bewertung der Eignung dieser Personen abgeprüften Umstände innerhalb der Mitgliedstaaten erheblich voneinander. Dies stellt besonders grenzüberschreitend tätige Institute vor große Herausforderungen, die sich einer Vielzahl von unterschiedlichen nationalen Vorschriften und Verfahren gegenübersehen. Es besteht mithin Handlungsbedarf.

Was ist neu?

Vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel, eine auf europäischer Ebene kohärentere, effizientere und wirksamere Beaufsichtigung der Eignung von Führungspersonen im Bankensektor zu gewährleisten, nimmt die Kommission in ihrem Vorschlag für die CRD VI („CRD VI“) Anpassungen des Fit & ProperRegimes vor.

In dem neugefassten Art. 91 Abs. 4 CRD VI legt die Kommission unter anderem fest, dass das Leitungsorgan über entsprechende „Fähigkeiten“ und „Erfahrungen“ verfügen muss, um Risiken, die mit der Geschäftstätigkeit des Instituts verbunden sind, gerade auch im Hinblick auf ESG-Faktoren zu verstehen. Damit setzt die Kommission ein weiteres Mosaiksteinchen ihrer Nachhaltigkeitsregulierung im Bankaufsichtsrecht ein und spannt zugleich den Bogen zu den Vorschlägen für eine verbindliche Einbettung von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement von Banken. Überraschen dürfte dies hingegen die Wenigsten: Jedenfalls für die EZB-beaufsichtigten, bedeutenden Institute sind diese Anforderung bereits Teil der bestehenden Aufsichtspraxis über das geltende Fit & ProperRegime: So sieht auch der überarbeiteten Leitfaden über die Beurteilung der fachlichen Eignung von Mitglieder der Leitungsorganen, den die EZB am 8. Dezember 2021 veröffentlicht hat (Leitfaden Fit&Proper), vor, dass zu den angemessenen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen des Leitungsorgans auch das Verständnis von klimabezogenen Risiken und Umweltrisiken gehört, da diese gemeinhin als wesentliche Quelle finanzieller Risiken betrachtet werden.

Die neu eingeführten Art. 91a und 91b CRD VI klären Verantwortungs- und Zuständigkeitsfragen sowie den Ablauf des Verfahrens für die Überprüfung der fachlichen Eignung von Mitgliedern von Leitungsorganen. Art. 91c und 91d CRD VI treffen entsprechende Regelungen für die Fit & Proper-Bewertung von Inhabern von Schlüsselfunktionen, die nunmehr in den Art. 3 Abs. 1 litc Nr. 9a bis 9d CRD VI klar definiert werden. Die Art. 91 Abs. 1, 91a Abs. 1 und 91c Abs. 1 CRD VI weisen die Hauptverantwortung für die Eignungsbeurteilung den Instituten zu und legen Letzteren darüber hinaus die Pflicht der laufenden Kontrolle der Fit & Proper-Voraussetzungen auf. Die institutsseitige Bewertung muss vor Amtsantritt erfolgen. Um die Finanzstabilität zu gewährleisten, soll die Eignungsbeurteilung bei Mitgliedern des Leitungsorgans in dringenden Fällen – etwa bei Abberufung oder Ersetzung von Mitgliedern des Leitungsorgans oder der Geschäftsleitung im Zusammenhang mit der Anwendung von Frühinterventionsmaßnahmen oder der Durchführung von Abwicklungsmaßnahmen jedoch erst nach Amtsantritt erfolgen (Art. 91a Abs. 2)Personen in Schlüsselfunktionen sind stets vor Ausübung ihrer Tätigkeit auf ihre Eignung hin zu prüfen. Darüber hinaus treffen die Institute Unterrichtungspflichten gegenüber den Behörden (Art. 91a Abs. 3, 4, Art. 91b Abs. 5, Art. 91c Abs. 3, Art. 91d Abs. 5).

Art. 91b, Art. 91d CRD VI regeln das auf die institutsseitige Eignungsbeurteilung folgende behördliche Verfahren für die Fit & Proper-Prüfung und stellt insbesondere klare Zeitvorgaben auf: Die Institute sind verpflichtet den zuständigen Behörden den vollständigen Erstantrag unverzüglich nach Abschluss der internen Eignungsbewertung vorzulegen (Art. 91b Abs. 2, Art. 91d Abs. 2). Der Kurzantrags-Eingang ist von der Behörde binnen zwei Tagen zu bestätigen und die Bewertung binnen 80 Arbeitstagen durchzuführen (Art. 91b Abs. 3, Art. 91d Abs. 3). Verlängerungen dieses Bewertungszeitraums sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (Art. 91b Abs. 4, Art. 91d Abs. 4). Benötigt die Behörde mehr Informationen oder Unterlagen ist auch dafür ein bestimmter Prozess vorgesehen (Art. 91b Abs. 4 Satz 3, 4, Art. 91d Abs. 4 Satz 3, 4). Weitere Konkretisierungen des Fit & Proper-Verfahrens sollen Leitlinien sowie Regulierungs- und Durchführungsstandards der EBA mit Listen der vorzulegenden Dokumente sowie Standardformularen und Mustertexten bieten (Art. 91b Abs. 9 und 10, Art. 91d Abs. 7 und 8 CRD VI).

Dass die Kommission die Bedeutung des Fit & Proper-Tests ernst nimmt, bringen auch Art. 91b Abs. 7, Art. 91d Abs. 6 CRD VI zum Ausdruck: In Zukunft sollen die zuständigen Behörden bei Verstößen gegen die Fit & Proper-Vorschriften Leitungspersonen zum Beispiel aus ihrem Amt entfernen bzw. deren Einsetzung vorab verhindern können. Hierzu wird den Mitgliedstaaten die Pflicht auferlegt, behördliche Befugnisse zur effektiven Durchsetzung und Kontrolle zu schaffen.

Wird jetzt alles besser?

Das Bankenpaket stellt bislang nur einen Vorschlag dar. Das Legislativpaket wird nun im Europäische Parlament und im Rat erörtert. In Kraft treten wird die CRD VI voraussichtlich kurz nach deren Verabschiedung, wobei Letztere frühestens 2023 zu erwarten sein dürfte und dann noch der nationalen Umsetzung bedarf. Für einen harmonischen „Proper fit“ auf europäischer Ebene wird man sich daher noch ein wenig gedulden müssen.

Fest steht jedoch, dasssoweit diese Änderungen entsprechend angenommen und umgesetzt werden sowohl die Institute als auch die Behörden ein wesentlich stabileres Gerüst haben werden, an dem sie sich für die Eignungsprüfung orientieren und langhangeln können. Zwar sind gewisse Vorgaben bereits heute Teil der geltenden Aufsichtspraxis. Gleichwohl machen klare gesetzliche Vorgaben das Fit & Proper-Regime für die Institute vorhersehbarer und damit besser zu handhaben. Glückt die Umsetzung, wird die Harmonisierung zudem insbesondere für grenzüberschreitend tätige Institute einen spürbaren Unterschied machen. So werden sich diese bestenfalls nur noch bedingt divergierenden Anforderungen an die – sowohl institutsseitige als auch behördliche Eignungsprüfung ihrer Leitungsorgane ausgesetzt sehen. Die von der EBA zu entwickelnden Durchführungsstandards, Musterformulare und texte bilden zudem regelmäßig eine wichtige Grundlage für eine Harmonisierung und kohärente Rechtsanwendung. Auch diese könnten Instituten daher wichtige Hilfestellungen und ein höheres Maß an Rechtssicherheit bieten. Das erhöhte Maß an Rechtssicherheit für die Institute dürfte schließlich auch in Anbetracht des vorgesehenen behördlichen Maßnahmenkatalogs – etwa die Befugnis ungeeignete Geschäftsleiter und Schlüsselkräfte zu entfernen oder deren Einsetzung vorab zu verbieten – begrüßenswert sein.

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