No Corporate Law for Future? – Nachhaltigkeit und Business Judgement Rule
Die Nachhaltigkeitsdebatte hat auch Unternehmen erreicht. Bereits im vergangenen Jahr haben 181 CEOs in den USA einen auf nachhaltige Rücksichtnahme ausgerichteten Stakeholder Capitalism propagiert. Auch das von den Teilnehmern des diesjährigen World Economic Forum in Davos verabschiedete Davoser Manifest 2020 betont eine entsprechende Abkehr von einem auf bloße Gewinnmaximierung fokussierten Shareholder Capitalism. Corporate Social Responsibility (CSR) und die Einbeziehung ökologischer und sozial-gesellschaftlicher Aspekte (ESG – Environmental, Social und Governance) sind spätestens seit dem wieder in aller Munde.
Leichter gesagt als getan: Nachhaltigkeit im Gesellschaftsrecht
Auch in Deutschland wird völlig zu Recht von Unternehmen eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten gefordert. Das ist jedoch nach deutschem Gesellschaftsrecht gegenwärtig in Wirklichkeit leichter gesagt als getan.
Zwar taucht der Begriff „Nachhaltigkeit“ an verschiedenen Stellen im Gesellschaftsrecht auf. So fordert unter anderem § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass die Vergütungsstruktur von börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Mit der Nachhaltigkeit, um der es Fridays for Future geht, hat das allerdings nichts zu tun. Der Begriff ist im Gesellschaftsrecht in der Regel in erster Linie rein zeitlich zu verstehen. Er meint langfristig als Gegensatz zu kurzfristig. Immer aber geht es in erster Linie um den Unternehmenserfolg und nicht um die Berücksichtigung externer Faktoren. In diesem Sinne ist auch der BGH zu verstehen, wenn er unlängst noch einmal bekräftigt hat, dass auch ein kurzfristig nachteiliges Geschäft vorgenommen werden darf, wenn vernünftigerweise langfristige Vorteile zu erwarten sind.
Langfristig ist nicht notwendig nachhaltig im Sinne von Fridays for Future
Leider ist diese Art der Nachhaltigkeit keine hinreichende Antwort auf die Zukunftsfragen, die im Mittelpunkt der Diskussion heute stehen: Klimaschutz und Geopolitik. In dieser Hinsicht hilft der Verweis auf langfristige Unternehmensziele nicht weiter. Diese müssen auch bei langfristiger Betrachtung nicht notwendig ethisch wertvoll sein.
Eher in die Richtung der Fridays-for-Future-Nachhaltigkeit geht da schon die Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodex, die von Unternehmenslenkern ein „ethisch fundiertes Verhalten“ auf der Grundlage von „die Nachhaltigkeit berücksichtigenden Grundsätzen“ fordert. Entsprechendes gilt für die vom Gesetzgeber zunehmend postulierten Transparenzpflichten, die von Unternehmen eine Berichterstattung auch über die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umweltbelange und andere Aspekte des Gemeinwohlbezugs fordern. Dieser Gedanke liegt etwa den 2017 zur Umsetzung der CSR-Richtlinie der EU neu eingeführten Berichtspflichten in § 289b HGB zugrunde.
Drohender Konflikt zwischen Unternehmenswohl und nachteiligen externen Effekten
Für die Unternehmensverantwortlichen stellt sich allerdings die spannende Frage, was passiert, wenn die erlaubte Verfolgung des Unternehmensinteresses aus gesellschaftlicher Perspektive überwiegend negative externe Effekte hat. Oder anders gefragt: Was ist, wenn sich auch bei langfristiger Betrachtung Unternehmensinteresse und negative externe Effekte nicht in Einklang bringen lassen? Darf dann nach derzeit geltender Rechtslage das Unternehmensinteresse zurückgestellt werden?
Die Antwort gibt insoweit die Business Judgement Rule. Und diese fordert von Unternehmenslenkern, ihre Entscheidungen ausschließlich am „Wohl der Gesellschaft“ auszurichten. Das soll nach dem Willen des Gesetzgebers dann der Fall sein, wenn eine Entscheidung der Ertragssteigerung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient. Da kann es für Unternehmenslenker eng werden bei der Berücksichtigung aus gesamtgesellschaftlicher Sicht wertvoller Belange.
Business Judgement Rule und Nachhaltigkeit?
Soweit gemeinwohlbezogene Aufwendungen oder gemeinwohlbezogenes Handeln mit dem Unternehmenswohl evident nicht vereinbar sind, kann für sie sogar eine Strafbarkeit wegen Untreue im Raum stehen. Wenn – im Kern begrüßenswert – von Unternehmen gesamtgesellschaftlich nachhaltiges Handeln gefordert wird, ist daher zunächst einmal gesetzgeberisches Handeln erforderlich. Nur wenn die Business Judgement-Klausel durch eine Nachhaltigkeitskomponente ergänzt wird, wird nachhaltiges Handeln auch nachhaltig erwartet werden können.
Dieser Blogbeitrag ist in leicht veränderter Fassung auch als Kolumne des Autors im Venture Capital Magazin erschienen.