Nachhaltigkeitsrisiken sollen auch im SREP von mittleren Wertpapierinstituten relevant werden

ESG-Risiken in Geschäftsmodell, interner Unternehmensführung und Risikobewertung von mittleren Wertpapierinstituten sollen künftig im SREP berücksichtigt werden.
Leon Blacher,
Maxi Gianna Kerkloh
Wednesday November 16th, 2022

Regulatorischer Kontext

Mit einem ergänzenden Bericht aus Oktober 2022 vervollständigt die EBA ihr Mandat aus Art. 35 IFD und gibt nationalen Aufsichtsbehörden technische Bewertungskriterien für die Einbeziehung von ESG-Risiken in den aufsichtlichen Überwachungs- und Bewertungsprozess („SREP“) an die Hand. Der Bericht ist mit einem bereits im Juni 2021 veröffentlichten EBA-Bericht über das Management und die Beaufsichtigung von ESG-Risiken zu lesen. Jener Bericht aus 2021 definiert u.a. ESG-Risiken und enthält ausführliche Analysen und Hinweise, wie Kredit- und Wertpapierinstitute ESG-Risiken umfassend in ihr Risikomanagement und ihre internen Prozesse integrieren können sowie Empfehlungen an die nationalen Aufsichtsbehörden, wie diese ESG-Risiken im Rahmen des SREP von Banken und großen Wertpapierinstituten berücksichtigen sollen. Nicht Adressat des Berichtes aus 2021sind kleine und nicht verflochtene Wertpapierinstitute nach Art. 12 IFR (Klasse 3) sowie mittlere Wertpapierinstitute (Klasse 2), die der IFR/IFD bzw. dem WpIG unterliegen.

Das holt der ergänzende Bericht aus Oktober 2022 nun nach. Hiernach gelten im Grundsatz die meisten Bewertungskriterien, die im Bericht aus Juni 2021 für Banken und große Wertpapierinstitute aufgestellt worden sind, auch für mittlere Wertpapierinstitute der Klasse 2. Allerdings sollen die nationalen Aufsichtsbehörden bei der Beaufsichtigung das Verhältnismäßigkeitsprinzip berücksichtigen. Im Fall kleiner und nicht verflochtener Wertpapierfirmen i.S.d. Art. 12 Abs.1 IFR (VO (EU) 2019/20) sollen Aufsichtsbehörden in einer Einzelfallentscheidung abwägen, ob und inwiefern eine Berücksichtigung von ESG-Risiken im Rahmen des SREPs erfolgen soll. Das Mandat der EBA aus Art. 35 IFD erstreckt sich nicht auf kleine Wertpapierinstitute der Klasse 3 nach Art. 12 IFR.

Der ergänzende Bericht, der im Vorfeld konsultiert wurde (lindenpartners Blog), steht im Kontext der kürzlich veröffentlichten Leitlinien zum SREP im Rahmen der IFD sowie der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1253 zur Änderung der MiFiD II – DelVO 2017/ 565 über die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die organisatorischen Anforderungen von Wertpapierfirmen (lindenpartners Blog), die seit dem 2. August 2022 für Wertpapierinstitute gilt.

Analyse von ESG-Risiken wird in bestehende Elemente des SREP integriert

Gemäß dem Mandat aus Art. 35 Buchstabe d der IFD (RL(EU) 2019/2034) gibt der Bericht Kriterien, Parameter und Metriken vor, anhand derer die nationalen Aufsichtsbehörden und Wertpapierfirmen die Auswirkungen kurz-, mittel- und langfristiger ESG-Risiken für die Zwecke des SREP bewerten können. Die EBA hat in ihrem Bericht aus 2021 empfohlen, ESG-Risiken im Rahmen existierender Bestandteile des SREP für Banken und große Wertpapierinstitute zu berücksichtigen. Entsprechend ist sie der Ansicht, dass ESG-Risiken und ESG-Faktoren in bestehende Elemente des SREP für Wertpapierinstitute einbezogen werden sollten.

Diese sind:

  • die Analyse des Geschäftsmodells
  • die Bewertung der internen Unternehmensführung und des Risikomanagements
  • die Risikobewertung

Die EBA betont dabei, dass Aufsichtsbehörden verhältnismäßig vorgehen sollen. Entscheidend für die Prüfungsintensität ist das Ausmaß der ESG-Risiken, denen Wertpapierinstitute individuell ausgesetzt sind, nicht die Größe des jeweiligen Wertpapierinstituts. Mittlere Wertpapierinstitute sollen daher – bei entsprechender ESG-Risikoexposition – im SREP wie Kreditinstitute behandelt werden. Bei geringen ESG-Risiken kommt eine vereinfachte Prüfung in Betracht.

Umfassende Analyse des Geschäftsmodelles aus spezifischer ESG-Perspektive

Die Aufsichtsbehörden sollen das Geschäftsmodell nun auch aus einer spezifischen ESG-Perspektive umfassend analysieren. Dabei sind beispielsweise relevant:

  • das Geschäftsumfeld, etwa (geo-)politische Entwicklungen und Markttrends – insbesondere die Nachfrage von Investor*innen nach ESG-Produkten;
  • quantitative Faktoren, etwa welche Auswirkungen ESG-Risiken auf die Portfoliozusammensetzung haben können, und in welchem Ausmaß die Profitabilität eines Wertpapierinstituts von Assets abhängt, die ESG-Risiken verstärkt ausgesetzt sind. Auch der Umfang, in welchem Änderungen des Buchwerts von verwalteten Assets auf ESG-Risikotreibern beruhen, soll berücksichtigt werden;
  • qualitative Faktoren, etwa regulatorische Änderungen und die Methoden, mit der Institute ESG-Risiken analysieren;
  • die kurz-, mittel- und langfristige Rentabilität des Geschäftsmodells im Hinblick auf ESG-Risiken und ESG-Faktoren.

ESG-Risiken in der Corporate Governance mit klaren Anforderungen an die Geschäftsleitung

Nationale Aufsichtsbehörden sollen ESG-Risiken auch im Rahmen der internen Unternehmensführung und des Risikomanagements berücksichtigen, beispielsweise durch:

  • die Überwachung und Integration von ESG-Themen auf Ebene der Geschäftsleitung. Die Geschäftsleitung soll angemessene Strategien erarbeiten, um mit ESG-Risiken umzugehen und ESG-Strategien umzusetzen. Sie soll zudem klar definierte Verantwortungsbereiche für ESG-Belange einrichten. Das Management selbst soll über ausreichende Fähigkeiten und Expertise verfügen, um sich ESG-Themen annehmen zu können;
  • die Berücksichtigung von ESG-Risiken bei der Vergütungspolitik;
  • angemessene und transparente Strukturen mit einem klaren Verantwortungsbereich für ESG-Themen, insbesondere ein angemessenes Risikomanagement für ESG-Risiken und die Berücksichtigung von ESG-Risiken in der Compliance;
  • ausreichende Ressourcen, um ESG-Investments effektiv anbieten zu können.

Risikobewertung: ESG-Risiken fließen in die Berechnung der K-Faktoren ein 

Aufsichtsbehörden sollen ESG-Risiken auch in alle bestehenden Bestandteile der Risikobewertung im Rahmen des SREP-integrieren. Sie sollen dabei in die Berechnung der Kapitalanforderungen („K-Faktoren“) einfließen. K-Faktoren setzen Eigenmittelanforderungen in Abhängigkeit von Risiken in bestimmten Geschäftsbereichen von Wertpapierinstituten fest. ESG-Risiken sollen dabei beispielsweise eine Rolle spielen für:

  • das Kundenrisiko (RtC: Risk-to-Client), wobei insbesondere ESG-Risiken für das verwaltete Vermögen (K-AUM) relevant seien;
  • das Firmenrisiko (RtF: Risk-to-Firm), etwa das Ausfallrisiko von Gegenparteien (K-TCD) und Risikokonzentration (K-CON);
  • das Marktrisiko (RtM: Risk-to-Market), beispielsweise Konzentrationsrisiken bei komplexen und illiquiden Produkten, die von ESG-Risiken verstärkt werden können und wie ESG-Faktoren die Marktrisikoexposition des Wertpapierinstituts beeinflussen können.

Die EBA nennt darüber hinaus eine Reihe weiterer zu berücksichtigender Risiken, etwa Auswirkungen von ESG-Shocks auf die Liquidität und Rechtsstreitigkeiten wegen Greenwashings oder wegen Non-Compliance mit den Anforderungen der SFDR.

EBA hält an schrittweiser Umsetzung fest

Wie bereits im Bericht von Juni 2021 sieht EBA ein schrittweises Vorgehen bei der Umsetzung von ESG-Risiken in den Aufsichtsprozess vor. Zunächst sollen Aufsichtsbehörden umwelt- und klimabezogene Risiken beleuchten, bevor sie sich zukünftig verstärkt sozialen Kriterien widmen. Dies entspricht der allgemeinen Stoßrichtung der EU-Gesetzgebung zu Sustainable Finance, die zunächst die ökologische und anschließend die soziale Nachhaltigkeit adressiert. So folgt etwa die Soziale der Grünen Taxonomie (lindenpartners Blog) – wobei die schon jetzt geltenden sozialen Mindestschutzanforderungen aus Art. 18 Taxonomieverordnung, die stetig konturiert werden, häufig noch nicht ausreichend berücksichtigt werden (lindenpartners Blog).

Die EBA schlägt dabei vor, dass Aufsichtsbehörden die ESG-Risiken zunächst in der Analyse des Geschäftsmodells/der Strategiebewertung und internen Unternehmensführung beleuchten. In einem zweiten Schritt sollen ESG-Faktoren dann auch in die Bewertungen von Kapital- und Liquiditätsrisiken einfließen. Bis quantitative Methoden ausgereift und insbesondere geeignete Daten verfügbar sind, können hauptsächlich qualitative Kriterien berücksichtigt werden.

Ausblick

Zwar richtet sich der Bericht zunächst unmittelbar an die nationalen Aufsichtsbehörden, die den SREP für Wertpapierinstitute durchführen. Da aber davon auszugehen ist, dass die BaFin den Empfehlungen der EBA weitestgehend folgen wird, ermöglicht der Bericht mittleren Wertpapierinstituten eine belastbare Einschätzung, was im Rahmen des SREP künftig auf sie zukommen wird. Dabei steht fest: Die BaFin wird ESG-Risiken und ESG-Faktoren anhand trennscharfer Kriterien detailliert, messbar und in allen Elementen des SREP qualitativ wie quantitativ beleuchten. Abstrakte und allgemeine Bekenntnisse zu ESG-Themen in konturlosen Textbausteinen reichen auch für mittlere Wertpapierinstitute nicht aus. Die Geschäftsleitung muss ESG-Risiken umfassend adressieren. Mittlere Wertpapierinstitute sollten daher schon jetzt ihre Exposition hinsichtlich ESG-Risiken analysieren und Steuerungsprozesse einführen, mit denen sie den aufsichtlichen Anforderungen gerecht werden können.

Maxi Gianna Kerkloh

Maxi Gianna Kerkloh

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