Bankenpaket: Neues einheitliches Erlaubnisregime für Zweigstellen von Unternehmen aus Drittländern
Hintergrund unserer Blog-Reihe
Der Gesetzgebungsprozess zum aktuellen Bankenpaket (zum Kommissionsvorschlag aus 2021 vgl. Blog lindenpartners) ist auf europäischer Ebene zum Abschluss gekommen. Mit Datum vom 6. Dezember 2023 wurden als Ergebnis der Trilogverhandlungen finale Einigungsfassungen der CRD sowie der CRR veröffentlicht. Formal handelt es sich zwar weiterhin lediglich um Entwürfe, da die Abstimmung im ECON darüber noch aussteht. De facto gelten die Texte jedoch als hinreichend belastbar und es muss, um die Umsetzungsfristen einhalten zu können, bereits auf Basis dieser Entwürfe mit der Umsetzung begonnen werden.
Einige ausgewählte Aspekte des Bankenpakets stellen wir in unserer Blogreihe zum Bankenpaket vor.
Worum geht es in Teil 2?
Nach unserem Blogbeitrag zum Thema Nachhaltigkeit geht es nun um die Erlaubnispflicht für Zweigstellen von Instituten aus Drittländern. Diese müssen auch dann eine (neue) Erlaubnis beantragen, wenn sie bereits eine Erlaubnis im Sitzland besitzen und Bankgeschäfte betreiben.
Der neue Artikel 21c CRD-E (konkretisiert in den Artikeln 47ff. CRD-E) sieht vor, dass ein in einem Drittland ansässiges Unternehmen eine Zweigniederlassung bzw. Zweigstelle in der EU zu errichten und deren Zulassung zu beantragen hat. [Die Begrifflichkeiten Niederlassung und Zweigstelle werden im Entwurf synonym als Übersetzung der englischen Formulierung „branch“ verwendet]. Da dies für „die Aufnahme oder Fortsetzung“ der Tätigkeit (Bankgeschäfte) gilt, trifft die (erneute) Pflicht zu Beantragung einer Erlaubnis wie erwähnt auch bereits zugelassene aktive Drittlandsniederlassungen.
Status Quo der Erlaubnisanforderungen für Drittlandunternehmen nach dem KWG
Bislang oblag die Regulierung dieser Zweigstellen bzw. Niederlassungen im Wesentlichen den Mitgliedstaaten, was zu großen Abweichungen in der Regulierung und damit zu sehr unterschiedlichen Informationsständen der jeweils zuständigen Behörden führte. Die EU-Kommission sieht die Neuerung deshalb als notwendig für eine wirksame Beaufsichtigung von Drittlandunternehmen, die in der EU tätig werden, an.
Welche Neuregelung bringt das Bankenpaket?
Nach dem Wortlaut der Neuregelung ist auch ein erneuter Antrag für bereits betriebene Zweigniederlassungen erforderlich. Dies wird in der Einigungsfassung in Artikel 48c Absatz 1 nochmals klargestellt.
Den zuständigen Behörden wurde die Möglichkeit eingeräumt, bereits erteilte Zulassungen für weiterhin gültig zu erklären – allerdings nur, wenn diese in den letzten 12 Monaten vor Geltungsbeginn der Änderungsrichtlinie erteilt wurden.
Eine Zweigniederlassung muss dann nicht errichtet werden, wenn das in dem Drittland niedergelassene Unternehmen die betreffende Dienstleistung oder Tätigkeit für einen Kunden oder eine Gegenpartei erbringt, der bzw. die in der Union niedergelassen oder ansässig ist (Art. 21c Abs. 2 CRD-E): d.h. z.B. nicht
- in Fällen der sog. reverse solicitation, d.h. wenn ein Kunde oder eine Gegenpartei sich auf eigene Initiative an das im Drittland niedergelassene Unternehmen wendet;
- bei Tätigkeit für ein Unternehmen derselben Unternehmensgruppe wie das in dem Drittland ansässige Unternehmen.
Tätigkeiten sind auf Mitgliedstaat der Niederlassungsstelle zu beschränken
Welche Mindestanforderungen für eine Zulassung einer Zweigniederlassung zu erfüllen sind, regelt Artikel 48c CRD-E. Hervorzuheben ist hierbei, dass Unternehmen ihre Tätigkeiten auf den Mitgliedstaat, in dem sie ihre Zweigniederlassung errichtet haben, zu beschränken haben. Grundsätzlich gilt somit ein Verbot, dieselben Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten grenzüberschreitend anzubieten oder auszuüben (Artikel 48c Abs. 3 Buchst. d). Ausnahme stellen die vorstehend erwähnten und in Artikel 21c Abs. 2 geregelten Fallkonstellationen dar.
Die für die Antragstellung erforderlichen Informationen, die Zulassungsbedingungen und
-verfahren sowie entsprechenden Mustervorlagen werden durch entsprechende EBA-Leitlinien konkretisiert (vgl. Mandat aus Art. 48c Abs. 5a).
Zweigstellen aus Drittländern werden in zwei Risikoklassen eingestuft
Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird eine Einstufung des Risikos, das die Zweigstellen auf die Finanzstabilität sowie die Marktintegrität ausüben, vorgenommen. Nach Art 48a CRD-E werden risikoreiche Zweigstellen in Klasse 1 eingestuft, kleine und nicht komplexe Zweigstellen, die kein erhebliches Finanzstabilitätsrisiko darstellen, gehören der Klasse 2 an. Die Einordnung in die Klasse 2 und der Begriff der kleinen und nicht komplexen Zweigstelle orientiert sich dabei an der Definition des kleinen und nicht komplexen Instituts der CRR.
Eine Drittlandzweigstelle unterfällt der Klasse 1, wenn
- aufgrund ihrer Größe und Komplexität ein erhöhtes Risiko besteht: Dies ist angenommen bei gebuchten oder begründeten Vermögenswerten in den Mitgliedstaaten i.H.v. 5 Mrd. EUR. (Art. 48a Abs. 1 Buchst. a) CRD-E);
- sie über eine Zulassung zur Entgegennahme von Privatkundeneinlagen oder anderen rückzahlbaren Geldern verfügen, die einen bestimmten Schwellenwert (d.h. 5 % oder mehr der gesamten Verbindlichkeiten der Drittlandzweigstelle entspricht bzw. über 50 Mio. EUR) überschreiten.
- es sich um keine qualifizierte Drittlandzweigstelle iSd Art. 48b handelt (Art. 48a Abs. 1 Buchst. c) CRD-E). Als qualifizierten Drittlandzweigstelle gilt eine Zweigstelle in folgenden Fällen, wenn
- das Hauptunternehmen der Drittlandzweigstelle in einem Land niedergelassen ist, in der keine der CRR und CRD mindestens gleichwertigen Regelungen bestehen (Art. 48b Abs. 1 Buchst. a) CRD-E),
- die Aufsichtsbehörden des Hauptunternehmens der Zweigniederlassung im Drittland nicht Vertraulichkeitsanforderungen unterliegen, die denen der in der CRD festgelegten Anforderungen zumindest gleichwertig sind (Art. 48b Abs. 1 Buchst. b)CRD-E) und
- das Hauptunternehmen in einem Hochrisiko-Drittland nach der Anti-Geldwäsche-Richtlinie (AMLD) belegen ist (Art. 48b Abs. 1 Buchst. c) CRD-E).
Abweichend von den vorstehend dargestellten Kriterien können die Mitgliedstaaten dieselben Anforderungen anwenden, die fürgemäß der CRD zugelassene Kreditinstitute gelten (Art. 48a Abs. 3a) CRD-E).
Sofern Zweigniederlassungen aus Drittländern die vorstehend dargestellten Bedingungen für die Einstufung in Klasse 1 nicht erfüllen, werden sie in Klasse 2 eingestuft.
Mindestanforderungen an Zweigniederlassungen richten sich nach Risikobewertung
Die Einstufung der Drittlandzweigstelle wirkt sich unmittelbar auf die Mindestkapitalanforderungen aus, die – nach einer Verschärfung des Kommissionsvorschlages – für
- eine Zweigstelle der Klasse 1 2,5% der durchschnittlichen Verbindlichkeiten der Zweigstelle der letzten drei Jahre bzw. der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Neu-Zulassung (mindestens aber 10 Mio. EUR) sowie
- für Zweigniederlassungen der Klasse 2 0,5% der durchschnittlichen Verbindlichkeiten der Zweigniederlassung der letzten drei Jahre, bzw. der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt der Neu-Zulassung (mindestens aber 5 Mio. EUR)
betragen.
Dem Antrag auf Zulassung ist außerdem ein Geschäftsplan beizufügen, in dem die geplante Geschäftstätigkeit, die Tätigkeiten sowie die strukturelle Organisation und die Risikokontrollen der Zweigstelle in dem betreffenden Mitgliedstaat dargelegt sind.
Weitere, strengere Anforderungen sind möglich, wenn die Drittlandzweigstelle als systemrelevant eingestuft wird. Dies kommt in Betracht, wenn entweder die allgemeinen Kriterien für die Systemrelevanz erfüllt sind oder der Gesamtbetrag der Vermögenswerte aller Zweigstellen einer Drittlandsgruppe in der EU 40 Mrd. EUR ausmacht bzw. (durchschnittlich) ausgemacht hat (Artikel 48k CRD-E).
Gründung einer Tochtergesellschaft als Mittel zur Risikobegrenzung
Um die Risiken für die Finanzstabilität durch eine Zweigstelle aus einem Drittland zu mindern, können die Behörden zu folgenden Maßnahmen greifen:
- Verpflichtung zur Umstrukturierung der Vermögenswerte oder Tätigkeiten der Drittlandzweigstellen (Artikel 48k Abs. 4 Buchst. a);
- zusätzliche aufsichtsrechtliche Anforderungen bsp. die Erfüllung zusätzlicher Eigenkapital-, Liquiditäts-, Melde- oder Offenlegungsanforderungen, Artikel 48k Abs. 4 Buchst. b und Artikel 48p Abs. 2);
- Verpflichtung zur Gründung einer Tochtergesellschaft, Artikel 48j.
Die zuständige Behörde kann auch davon absehen, eine der Maßnahmen zu ergreifen. In diesem Fall hat sie der EBA und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in denen eine weitere Niederlassung belegen ist, eine begründete Mitteilung zu übermitteln, Artikel 48k Abs. 4 CRD-E.
MoU bzw. effektiver Informationsaustausch mit der Aufsichtsbehörde im Drittland erforderlich
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die in den „Mindestanforderungen für die Zulassung“ geregelte Anforderung in Art. 48c Abs. 3 Buchst. (e) CRD-E, wonach ein effektiver Informationsaustausch mit der Aufsichtsbehörde des Drittlands und die Möglichkeit eines koordinierten Vorgehens, insbesondere in Krisenzeiten möglich sein muss. Außerdem sollen die nationalen Behörden sich um den Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen (Memorandum of Understanding, „MoU“) bemühen, bevor die Drittlandniederlassung ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat aufnimmt (Art. 48c Abs. 1a CRD-E). Sofern die BaFin mit dem Drittland ein MoUabgeschlossen hat, sind diese Voraussetzungen in der Regel erfüllt. Im Einzelfall zu prüfen und ggf. schwieriger ist die Situation zu beurteilen, wenn es solche Vereinbarungen mit dem Drittland nicht gibt. Dies ist z.B. bei China, Vietnam, Russland oder Iran der Fall. Hier bleibt abzuwarten, wie der deutsche Gesetzgeber diese Anforderungen im KWG ausgestalten wird bzw. welche Anforderungen an den effektiven Informationsaustausch und die Kooperationsbereitschaft der ausländischen Behörden gestellt werden.
Für den Fall, dass aufgrund von Bedenken bezüglich des Informationsaustausches keine Erlaubnis für die Niederlassung erteilt wird, bleibt nur der Weg, über die Gründung einer Tochtergesellschaft, die dann als Kreditinstitut im Mitgliedstaat eine Erlaubnis beantragen müsste.
Keine Freistellungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 5 KWG mehr
Schließlich dürfte mit dem neuen Art. 21c CDR-E auch die Freistellungsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 4 und 5 KWG entfallen: Für den Betrieb von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen innerhalb Deutschlands bedarf ein Unternehmen nach § 32 Abs. 1 S. 1 KWG einer Erlaubnis der BaFin. Bislang bestand für die BaFin die Möglichkeit, im Einzelfall ein Unternehmen von dem Erlaubniserfordernis und einzelnen Bestimmungen der laufenden Aufsicht freizustellen. Nach § 2 Abs. 5 KWG können beispielsweise Drittlandunternehmen bislang eine Freistellung beantragen, wenn die BaFin das Inlandsgeschäft des Unternehmens aufgrund der Aufsicht im Herkunftsstaat nicht zusätzlich beaufsichtigen muss. Durch die nun auf europäischer Ebene vorgeschriebene Erlaubniserfordernis dürfte diese Freistellung künftig nicht mehr zulässig sein.
Wie geht es weiter?
Auf die bereits in Deutschland aktiven Niederlassungen und Zweigstellen aus Drittländern wird infolge der i.d.R. neu zu beantragenden Zulassung ein nicht unerheblicher Aufwand zukommen.
Interessant wird ferner, wie streng die BaFin (oder ggf. später die EBA) die Anforderungen an die Kooperationsbereitschaft der Drittländer ohne MoU interpretiert und ob es in der Folge zu Neugründungen von Tochterunternehmen bzw. zur Schließung von Niederlassungen kommen wird.