„Zuckerbrot“ und „Peitsche“ beim Schutz der Menschenrechte

Die Bundesregierung plant ein Sorgfaltspflichtengesetz, das große Unternehmen zur menschenrechtlichen Sorgfalt entlang ihrer Lieferketten verpflichtet. Die Einhaltung solcher Pflichten ist zwar aufwändig, kann sich aber aufgrund der parallelen Anforderungen der Nachhaltigkeits-Taxonomie auch finanziell lohnen.
Dr. Nils Christian Ipsen,
Maxi Gianna Kerkloh
Dienstag, der 28. Juli 2020

Regierung setzt Ankündigung aus dem Nationalen Aktionsplan um

Die völkerrechtlichen UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte sehen eine Verantwortung für Unternehmen vor, nachteilige Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte zu vermeiden. Die Bundesregierung hatte sich zunächst 2016 auf eine freiwillige Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verständigt. Bereits dort war allerdings angekündigt, dass gesetzliche Maßnahmen folgen können, wenn nicht mindestens die Hälfte der großen Unternehmen die vorgesehene menschenrechtliche Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse integriert. Nachdem dies laut einer Untersuchung nicht geklappt hat, sollen jetzt gesetzliche Pflichten vorgesehen werden.

Schärfe der Kritik überrascht

Die Kritik an dem Gesetzesvorschlag kam postwendend. Insbesondere die Wirtschaftsverbände kritisierten die Untersuchung und warnten vor einer Überforderung der Unternehmen. In der Tat kann eine Verantwortung von deutschen Unternehmen für ihrer Lieferketten aufgrund der internationalen Verflechtung der deutschen Wirtschaft weitreichende Folgen haben. Doch ist das Ziel eines solchen Gesetzvorschlags, der weltweite Schutz von Menschenrechten, kaum streitig. Andere Staaten haben bereits vergleichbare Gesetze erlassen, z.B. den britischen Modern Slavery Act von 2015, das französischen Sorgfaltspflichtengesetz („loi de vigilance“) von 2017 und das niederländische Gesetz gegen Kinderarbeit von 2019. Es handelt sich also mitnichten um einen deutschen Alleingang.

Bemühungs-, keine Erfolgspflicht

Mit dem Entwurf eines Eckpunktepapiers haben das Bundesarbeitsministerium und das Bundesentwicklungsministerium skizziert, wie ein Sorgfaltspflichtengesetz aussehen könnte. Das Gesetz soll nur für große Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern gelten. Abgeleitet aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen wird ein Due Diligence Standard für Menschenrechte entwickelt. Zu bestimmten Erfolgen beim Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen werden die Unternehmen hingegen nicht verpflichtet.

Der Due Diligence Standard erfasst folgende Pflichten:

  • Risikoermittlung und -analyse: Unternehmen müssen die Risiken ihrer Tätigkeiten sowie ihrer Lieferanten für anerkannte Menschenrechte ermitteln und in ihrer Bedeutung gewichten.
  • Präventions- und Abhilfemaßnahmen: Ausgehend von der Risikoanalyse müssen Unternehmen Maßnahmen zur Vermeidung, Beendigung oder zumindest Minimierung von Menschrechtsverstößen ergreifen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist regelmäßig zu überprüfen.
  • Beschwerdemechanismus: Unternehmen müssen ein internes Beschwerdeverfahren einrichten, um Menschenrechtsrisiken und etwaige Verstöße frühzeitig zu identifizieren.
  • Dokumentations- und Berichtspflichten: Die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten müssen Unternehmen fortlaufend dokumentieren und darüber regelmäßig berichten.

Eine Pflicht besteht indes nur zur Durchführung von „angemessenen“ Maßnahmen. Ihre konkrete Ausgestaltung soll sich somit nach Art der Geschäftstätigkeit, Schwere und Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen sowie den Einwirkungsmöglichkeiten des Unternehmens richten.

Durchsetzung mittels zivilrechtlicher Haftung und behördlicher Aufsicht

Zur Durchsetzung dieser Pflichten ist eine zivilrechtliche Haftung vorgesehen. Einerseits sollen Verstöße gegen das Gesetz Grundlage für Schadensersatzklagen vor deutschen Gerichten bieten. Anderseits wird diese Haftung u.a. dadurch beschränkt, dass die Unternehmen einem staatlich anerkannten Sorgfaltsstandard beitreten und damit die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken können (safe harbor). Daneben soll die behördliche Durchsetzung treten, wobei festgestellte Verstöße bußgeldbewehrt sind.

Menschenrechtsschutz auch Voraussetzung für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten

Für ein derartiges Gesetz sind sicher noch einige Fragen zu klären. Insbesondere müssen Begriffe wie „Wertschöpfungskette“ oder „angemessene“ Maßnahmen hinreichend bestimmt sein, um für alle Beteiligten die erforderliche Rechtssicherheit zu gewährleisten. Für die betroffenen Unternehmen wird dadurch auch zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen. Doch könnte gerade dieser Aufwand den betroffenen Unternehmen an anderer Stelle zum Vorteil gereichen. Denn nach der neuen Taxonomie-VO ist die Einhaltung von sozialen Mindeststandards eine Voraussetzung für eine ökologische nachhaltige Tätigkeit. Und diese sozialen Mindeststandards werden – wie das Sorgfaltspflichtengesetz – aus den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen abgeleitet. Mit anderen Worten: Mit Beachtung der Pflichten des Sorgfaltspflichtengesetzes können Unternehmen ggf. gleichzeitig eine Voraussetzung der neuen Taxonomie für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten erfüllen.

Die Beachtung der Taxonomie liegt wiederum im Eigeninteresse der Unternehmen, da die EU gegenwärtig verschiedene Anstrengungen unternimmt, um solchen Unternehmen den Zugang zu Eigen- und Fremdkapital zu erleichtern. Unternehmen, die auch im Übrigen wesentliche Beiträge zu Umweltzielen leisten (wollen), können somit von der Einhaltung des Sorgfaltspflichtengesetzes profitieren. Insofern könnte diese Kombination aus “Zuckerbrot” und “Peitsche” durchaus als Ansporn begriffen werden, die erforderlichen Maßnahmen schnell umzusetzen.

Maxi Gianna Kerkloh

Maxi Gianna Kerkloh

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