Nachhaltigkeit muss organisiert werden – neue Vorgaben für Asset Manager
Die EU-Kommission hat am 21. April 2021 ihr lange erwartetes „Sustainable Finance Package“ (Nachhaltigkeitspaket) veröffentlicht. Es enthält neben der Delegierten Verordnung zu Evaluierungskriterien nach der Taxonomie-VO, Vorschläge zur Ergänzung der CSR-Richtlinie über die Berichtspflichten von Unternehmen, Änderungen von Delegierten Rechtakten zur Anlageberatung im Wertpapier- und Versicherungsvertrieb (MiFID II und IDD) sowie zum Asset Management (Versicherungen und Investmentfonds). Für Investmentfonds sieht das Nachhaltigkeitspaket Änderungen der Delegierten Rechtsakte zur OGAW-Richtlinie (Delegierte RL 2010/43/EU) und zur AIFM-Richtlinie (Delegierte VO 231/2013) vor. Hiernach werden AIFM- und OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) künftig Nachhaltigkeitsfaktoren und -risiken umfassend in ihrer internen Aufbau -und Organisationsstruktur sowie im Risikomanagement zu berücksichtigen haben.
Aus unverbindlichen Empfehlungen …
Die EU-Kommission folgt den Empfehlungen der ESMA, die bereits 2019 in ihrem Final Report dargelegt hatte, wie Nachhaltigkeitserwägungen in die interne Aufbau- und Ablauforganisation von KVGen einbezogen werden sollten. Auch die BaFin legte Vermögensverwaltern in ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken aus Dezember 2019 nahe, bereits vor Inkrafttreten entsprechender Regelungen auf europäischer Ebene frühzeitig Nachhaltigkeitsrisiken in der Geschäftsorganisation, dem Risikomanagement sowie bei der Durchführung von Stresstest- und Szenarioanalysen zu berücksichtigen.
… werden bindende Vorgaben
Dass es jedoch nicht bei diesen unverbindlichen Empfehlungen bleiben, sondern Nachhaltigkeitsrisiken in Zukunft umfänglich in den internen Prozessen von Kapitalverwaltungsgesellschaften zu berücksichtigen sein würden, ließ sich bereits dem EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ vom März 2018 entnehmen. Dessen Grundtenor lautete mit Blick auf institutionelle Anleger: Nachhaltigkeitsrisiken sind künftig umfassend in die Entscheidungsfindungsprozesse, die Organisationsstruktur sowie in das Risikomanagement zu integrieren. Mit den nun von der Kommission final veröffentlichten delegierten Rechtsakten werden diese Vorgaben verbindlich. Die Änderung der Delegierten VO 231/2013 (AIFM) ist 12 Monate nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union anzuwenden. Ebenfalls innerhalb von 12 Monaten nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt sind die Änderungen der Delegierten RL 2010/43/EU (OGAW) von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Geht man davon aus, dass eine Verkündung nach Ablauf der 3-monatigen Einspruchsfrist für Parlament und Rat erst Ende Juli 2021 erfolgen wird, wären die neuen Anforderungen Anfang August 2022 in der Praxis umzusetzen.
Nachhaltigkeitsrisiken sind in die Aufbau- und Ablauforganisation sowie in die Risikomanagement-Policy einzubeziehen
Nachhaltigkeitsrisiken sind künftig in die gesamte Organisationsstruktur von KVGen zu integrieren. Nach den Vorgaben der Delegierten Rechtsakte haben AIFM und OGAW-Verwalter dies bei Erfüllung ihrer allgemeinen Organisationsanforderungen zu berücksichtigen und hierfür beispielsweise die erforderlichen Ressourcen sowie ein entsprechendes Fachwissen vorzuhalten. Außerdem erstreckt sich die Verantwortlichkeit der Geschäftsleitung bei Ausübung ihrer Leitungsfunktionen nunmehr auch auf die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken.
Darüber hinaus werden Nachhaltigkeitsrisiken auch im Rahmen der Grundsätze für das Risikomanagement relevant: Diese werden künftig auch Verfahren umfassen müssen, die erforderlich sind, um die KVGen in die Lage zu versetzen, für die von ihnen verwalteten Fonds bewerten zu können, inwieweit diese neben Markt-, Liquiditäts – und Gegenparteirisiken gerade auch Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt sind.
Nachhaltigkeitsrisiken werden auch im Investmentprozess relevant
Im Rahmen des Investmentprozesses werden KVGen in Zukunft auch nachhaltigkeitsbezogene Interessenkonflikte zu ermitteln haben. Dies betrifft beispielsweise Konflikte, die sich aus der Vergütung oder aus persönlichen Transaktionen von relevanten Mitarbeitern ergeben, sowie alle Konfliktquellen, die zu Greenwashing, Fehlleistungen oder falscher Darstellung von Anlagestrategien führen können. Einzubeziehen sind auch Interessenkonflikte zwischen verschiedenen Fonds, die von derselben KVG verwaltet werden.
Wichtigste nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren sind bei der Due Diligence zu berücksichtigen
Vermögensverwalter haben nach der OffenlegungsVO (SFDR) offenzulegen, inwieweit sie die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Dies bezieht künftig Informationen darüber ein, wie Vermögensverwalter die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen bei Ausübung der ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten, insbesondere in ihren Due Diligence-Grundsätzen, Rechnung tragen. Auf diese Weise soll eine Kohärenz der Delegierten Rechtsakte mit den Vorgaben der SFDR geschaffen werden.
Umsetzung mit Nachhaltigkeits-Risikomatrix
Die Umsetzung der neuen regulatorischen Vorgaben wird den KVGen voraussichtlich abverlangen, Nachhaltigkeitsrisiken in irgendeiner Form messbar zu machen. Denn auch hier gilt: You can´t manage what you can´t measure. Es wird also darum gehen, anhand von Kennzahlen (wie z.B. Verstößen von Zielunternehmen gegen den UN Global Compact, bekannt gewordenen Verletzungen von branchenspezifischen Umweltvorschriften etc.) Risikomatrizen für die jeweiligen Anlageportfolien zu entwickeln. Hierauf aufsetzend können dann Steuerungsinstrumente für Risiken und Interessenkonflikte eingesetzt werden. Hier werden innovative Modellierungs- und Organisationsansätze gefragt sein.