Let’s go Digital – Werbung und Kundeninformationen in der Krise

Anlässlich der Corona-Pandemie möchten Unternehmen ihre Kunden darüber informieren, wie Produkte und Dienstleistungen (auch) online bezogen werden können. Was ist dabei zu beachten?
Dr. Brigitta Varadinek,
Dr. Moritz Indenhuck
Montag, der 6. April 2020

In der Folge der Corona-Krise sind digitale Vertriebskanäle mehr denn je gefragt. In Zeiten, in denen Kunden Ladenlokale, Restaurants oder Bankfilialen nicht länger betreten können, ist es von enormem Vorteil, Kunden über das Internet, sei es über Plattformen, eigene Webauftritte oder E-Mail erreichen zu können. Viele Unternehmen, die dies bisher versäumt haben, stellen nun ihr Geschäftsmodell vorübergehend um oder bauen Digitalstrategien aus. Für Anbieter, die bereits über ein digitales Produktportfolio verfügen, können sich aus der Krise neue Vertriebschancen ergeben. Rechtlich stellt sich dabei die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen Neu- und Bestandskunden kontaktieren können, um über Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Darf das Restaurant Kunden per E-Mail oder Telefon kontaktieren, um auf den neuen Online-Service aufmerksam zu machen? Und wie kann die Bank ihre Kunden, die bisher noch kein Online-Banking eingerichtet haben, ansprechen, um sie von den Vorteilen des “digital banking” zu überzeugen?

Rechtlich sind dabei zwei Fragen zu unterscheiden. Zunächst ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen Kundendaten (Name, Anschrift, Telefon, Mailadresse, Präferenzen, Kaufverhalten usw.) verwenden dürfen, um eine Vertriebsmaßnahme vorzubereiten (Schritt 1). Ist es in dem bereits erwähnten Beispiel zulässig, wenn die Bank im Rahmen einer Kundensegmentierung ermittelt, welche ihrer Kunden bisher keinen Online-Banking-Vertrag abgeschlossen haben? Hiervon zu trennen ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Unternehmen Kunden kontaktieren darf (Schritt 2).

Schritt 1: Nutzung von Kundendaten zur Vorbereitung einer Vertriebsmaßnahme

Werden Kundendaten genutzt, um eine Vertriebsmaßnahme vorzubereiten, sind die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Die DSGVO enthält keine speziellen Regelungen für die werbliche Nutzung personenbezogener Daten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist daher nur zulässig, wenn sie auf eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO geregelten allgemeinen Verarbeitungsgrundlagen gestützt werden kann – und zwar unabhängig davon, ob es um Daten von Bestands- oder Neukunden geht.

Im Ausgangspunkt kommen als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbezwecken damit sowohl die Einwilligung nach Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a DSGVO als auch die allgemeine Interessenabwägung nach Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO in Betracht. Einwilligung und Interessenabwägung stehen dabei nach der Systematik der DSGVO als Rechtsgrundlagen grundsätzlich gleichwertig nebeneinander. Da die DSGVO allerdings hohe Anforderungen an eine Einwilligung des Betroffenen stellt, gilt die Interessenabwägung aus Unternehmenssicht häufig als die vorzugswürdige Verarbeitungsgrundlage. Dass die DSGVO entsprechende Gestaltungsspielräume eröffnet, hat der europäische Gesetzgeber in Erwägungsgrund 47 Satz 7 DSGVO angedeutet. Danach können Maßnahmen im Rahmen der Direktwerbung einem berechtigten Interesse des Verantwortlichen dienen. Dass die Auswertung von Kundendaten zur Vorbereitung einer Marketingmaßnahme – etwa durch Selektion einer Zielgruppe – auf eine Interessenabwägung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO gestützt werden kann, folgt letztlich auch aus einem Umkehrschluss aus Art. 21 Abs. 1, 2 DSGVO: Nach dieser Vorschrift steht dem Betroffenen hinsichtlich eines Profilings im Zusammenhang mit einer werblichen Ansprache ein Werbewiderspruchsrecht zu. Ein solches Widerspruchsrecht liefe leer, wenn Profiling generell nur auf eine Einwilligung gestützt werden könnte. Entsprechend geht auch die Datenschutzkonferenz (DSK) in Ihrer Orientierungshilfe zur Direktwerbung davon aus, dass Werbemaßnahmen auf eine Interessenabwägung gestützt werden können.

Corona als berechtigtes Interesse?

Im Rahmen der Abwägung kommt es entscheidend darauf an, ob den berechtigten Interessen an der Verarbeitung Rechte oder Interessen der betroffenen Kunden überwiegend entgegenstehen. Die Abwägung muss einzelfallabhängig erfolgen und insbesondere die konkrete Verarbeitungssituation sowie die Intensität der mit der Verarbeitung verbundenen Beeinträchtigung berücksichtigen. Bei einfachen Selektionsvorgängen auf Basis begrenzter, nicht sensitiver Datenkategorien dürften aber in aller Regel keine überwiegenden Interessen der Kunden entgegenstehen. So ist es etwa zulässig, wenn ein Unternehmen seine Kunden nach bestimmten Berufsgruppen unterteilt, um solche Kunden zu identifizieren, die für ein berufsspezifisches Angebot in Frage kommen. Ähnlich sieht es aus, wenn ein Unternehmen anhand seiner Kundendaten ermittelt, welche Kunden ein bestimmtes Produkt bisher noch nicht beziehen. Nennenswerte negative Auswirkungen für die Betroffenen sind bei solchen Datenauswertung nicht zu erwarten. Die Rechte und Interessen der betroffenen Person werden in einer solchen Konstellation daher regelmäßig hinter dem berechtigten Interesse des Unternehmens, die Kundenbeziehung durch das Angebot geeigneter Produkte weiter zu vertiefen, zurückstehen müssen. Dies gilt erst recht, wenn das Unternehmen mit Auswertung von Kundendaten neben eigenen vertrieblichen Zwecken auch berechtigte Interessen Dritter verfolgt. Möchte eine Bank ihre „analogen“ Kunden vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie dazu bewegen, vermehrt auf das Online-Angebot der Bank zurückzugreifen, wird sie dabei auch den Schutz ihrer Mitarbeiter, anderer Kunden sowie der Gesellschaft insgesamt im Blick haben. Auch diese Anliegen sind im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten der Verarbeitung zu berücksichtigen.

Schritt 2: Werbliche Kundenansprache

Die Zulässigkeit einer werblichen Kundenansprache richtet sich in erster Linie nach den Vorgaben des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Das UWG regelt insbesondere, über welche Vertriebskanäle Kunden unter welchen Voraussetzungen angesprochen werden dürfen, also per Brief, E-Mail, Fax oder Telefon.

Soll dem Kunden Werbung übermittelt werden, ist das immer möglich, wenn der Kunde zuvor seine Einwilligung erteilt hat. Die Einwilligung muss dabei die genutzten Daten und den Vertriebsweg umfassen. Hat der Kunde beispielsweise seine E-Mail-Adresse angegeben, damit er Newsletter bekommen kann, darf diese auch für weitere werbliche Angebote genutzt werden. Viele Banken lassen sich bei Kontoeröffnung eine solche Einwilligung unterschreiben.

UWG unterscheidet nach Werbekanälen

Fehlt eine solche Einwilligung, regelt § 7 UWG, welche Kanäle für Werbung genutzt werden dürfen. Briefwerbung ist dabei grundsätzlich erlaubt, aber in der digitalen Welt teuer und unpraktisch. Telefonanrufe gegenüber Verbrauchern sind nur mit ausdrücklicher Einwilligung zulässig, bei Unternehmen auch im Falle einer mutmaßlichen Einwilligung. Hat der Kunde also beispielsweise seine Telefonnummer hinterlassen, um benachrichtig zu werden, wenn ein bestimmtes Produkt geliefert wurde, darf die Telefonnummer gegenüber Verbrauchern nicht für weitere Werbung genutzt werden. Bei einem Unternehmer kann hingegen unter Umständen unterstellt werden, dass er auch mit einer telefonischen Kontaktaufnahme einverstanden ist. Bei E-Mail oder Fax gilt grundsätzlich ebenfalls, dass Werbung nur mit ausdrücklicher Einwilligung zulässig ist. Bei E-Mail gibt es aber eine mit Blick auf die vorliegende Konstellation möglicherweise relevante Ausnahme. Die E-Mailadresse eines Bestandskunden darf nach § 7 Abs. 3 UWG auch ohne Einwilligung für werbliche Kommunikation genutzt werden, wenn vier Bedingungen erfüllt sind:

  • das werbende Unternehmen hat die E-Mailadresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden erhalten,
  • die konkrete Werbung bezieht sich auf ähnliche Waren oder Dienstleistungen,
  • der Kunde hat der Verwendung nicht widersprochen,
  • der Kunde wurde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann.

Die ersten drei Voraussetzungen sind im Regelfall erfüllt: Der Kunde steht auf einer Kundenliste, weil er bereits Waren oder Dienstleistungen erworben hat oder wie im Fall der Bank, ein Girokonto besitzt. Soll auf ein Online-Angebot aufmerksam gemacht werden, steht das Angebot auch in unmittelbarem Zusammenhang zur bestehenden Kundenbeziehung. Auch ein Widerspruch des Kunden ist eher selten. Problematisch ist allerdings der Hinweis auf das Widerspruchsrecht bei Erhebung der E-Mailadresse. Häufig wird die E-Mailadresse ohne weitere Zusätze mit der Anschrift aufgenommen. Ein Hinweis auf das Widerspruchsrecht erst in der Werbe-E-Mail ist nicht ausreichend. Nur wenn bereits zum Zeitpunkt der Erhebung der E-Mailadresse auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wurde, darf die Anschrift für Werbung genutzt werden. Im Ergebnis ist daher die Nutzung der E-Mailadresse für Werbung für Onlineangebote häufig versperrt.

Datenschutzrecht folgt Wettbewerbsrecht

Zwar stellt auch die werbliche Ansprache des Kunden eine Datenverarbeitung dar, für die es einer Verarbeitungsgrundlage i.S.d. DSGVO bedarf. Das Datenschutzrecht folgt an dieser Stelle aber im Wesentlichen den Vorgaben des UWG. Ist die Nutzung der Telefonnummer oder der E-Mailadresse nach UWG unzulässig, scheitert auch die Interessenabwägung zu Gunsten des Unternehmers. Sollen personenbezogene Daten zu unzulässigen Zwecken – hier einer nach UWG unzulässigen werblichen Kommunikation – genutzt werden, stehen erhebliche Interessen der geschützten Personen entgegen. Ist die Kontaktaufnahme hingegen nach UWG zulässig (etwa weil eine Einwilligung vorliegt bzw. eine solche ausnahmsweise nicht erforderlich ist), ist die Nutzung der Kontaktdaten i.a.R. auch datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.

Keine Einwilligung bei bloßer Kundeninformation?

Zu beachten ist, dass die strengen Vorgaben in § 7 UWG nur für werbliche Kommunikation gelten. Die wettbewerbsrechtliche Bewertung einer Kundenansprache hängt daher vor allem davon ab, ob es sich um Werbung oder um eine bloße nicht-werbliche Information im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung handelt. Denn es dürfte im Regelfall zulässig sein, dem Kunden Informationen, die unmittelbar ein bestehendes Vertragsverhältnis betreffen, auch per E-Mail oder Telefon zu übermitteln, wenn die E-Mail oder die Telefonnummer im Rahmen des Vertragsverhältnisses überlassen wurden.

Rechtlich ist Werbung sehr weit zu verstehen. Auch neue Angebote bei bestehender Vertragsbeziehung sind als Werbung zu qualifizieren, und zwar auch dann, wenn ein Dauerschuldverhältnis wie ein Mietvertrag oder ein Versicherungsvertrag besteht. Das Angebot eines Versicherers, auch ein Familienmitglied mitzuversichern, oder in einen Tarif mit besseren Konditionen zu wechseln, wurden von der Rechtsprechung als Werbung qualifiziert.

Das Restaurant oder der Händler, der Kundenlisten abtelefonieren oder per E-Mail auf ein Online-Angebot aufmerksam machen will, betreibt somit Werbung, da die Kunden einen neuen Kauf- oder Dienstvertrag schließen sollen.

Nicht so eindeutig ist das Ergebnis jedoch bei der Kundenansprache im Hinblick auf das Onlinebanking. Der Kunde, der ein Girokonto besitzt, hat mit der Bank einen Zahlungsdiensterahmenvertrag gem. § 675f Abs. 2 BGB geschlossen. Im Rahmen dieses Rahmenvertrages kann der Kunde sog. Zahlungsdienste seiner Bank in Anspruch nehmen: die Ausführung von Überweisungen und Daueraufträgen, die Abbuchung (und ggf. Einziehung) von Lastschriften sowie mit einer Bankkarte verbundene Leistungen. Zudem ist der Zahlungsdiensterahmenvertrag auch Grundlage für weitere Verpflichtungen, die keine Zahlungsdienste sind, für die Zusatzvereinbarungen i.S.v. § 675f Abs. 2 Satz 2 BGB geschlossen werden. Beispiele für solche Zusatzvereinbarungen sind etwa das Scheck- und Wechselinkasso oder der Dispositionskredit. Das Onlinebanking ist ein solcher Zusatzdienst. Auch wenn bei Einführung des Onlinebankings neue Vertragsbedingungen gelten, die auch zahlreiche Pflichten zu Lasten des Kunden beinhalten, so ist Grundlage der Vertragsbeziehung weiterhin der bestehende Zahlungsdiensterahmenvertrag. Die Information erfolgt auf der Grundlage dieser bestehenden Vertragsbeziehung. Der Zahlungsdiensterahmenvertrag wird nicht erweitert, sondern lediglich mit einer weiteren Dienstleistung ausgefüllt. Aus unserer Sicht lässt sich daher gut vertreten, dass Kunden einer Bank, die bisher nicht am Onlinebanking teilnehmen, Informationen über diese Möglichkeit auch per E-Mail oder per Telefon übermittelt werden dürfen, selbst wenn eine Werbeeinwilligung nicht vorliegt.

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