Grunderwerbsteuerreform ab 1. Juli 2021: Neue Risiken für die Geschäftsführung

Thomas Wisniewski
Dienstag, der 1. Juni 2021

Mit Wirkung ab dem 1. Juli 2021 werden die bislang bei grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaften (AG/GmbH) grunderwerbsteuerneutral möglichen Share Deals erheblich eingeschränkt. War es bislang möglich, z.B. 100% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft in der Weise zu verkaufen, dass ein Erwerber 94% und ein weiterer (unverbundener) Erwerber die restlichen 6 % erwirbt, so ist dies zukünftig nicht mehr möglich, weil künftig auch bei Kapitalgesellschaften bereits der unmittelbare oder mittelbare Übergang von mindestens 90 % der Anteile innerhalb von 10 Jahren auf neue Gesellschafter die Grunderwerbsteuer auslöst.

Diese Gesetzesverschärfung zielt primär auf die Immobilienbranche ab, es sind jedoch de facto alle Wirtschaftszweige betroffen. Insbesondere ist auch für Produktionsunternehmen mit Betriebsgrundstücken höchste Vorsicht geboten: Schuldner einer unverhofft anfallenden Grunderwerbsteuer ist nämlich die Gesellschaft. Deren Geschäftsführung treffen (strafbewehrte) Anzeigepflichten gegenüber dem Finanzamt.

Da es zukünftig nicht mehr darauf ankommt, ob ein einzelner Erwerber einen signifikanten Anteil an einer Gesellschaft erwirbt, sondern die unmittelbare oder mittelbare Auswechselung der Gesellschafter in einem schädlichen Umfang (mindestens 90 %) maßgeblich ist, steht die Geschäftsführung einer grundstücksbesitzenden Kapitalgesellschaft vor der Herausforderung, fortlaufend alle unmittelbaren oder mittelbaren Anteilseignerwechsel nachzuvollziehen. Selbst mittelbare Kleinstübertragungen über Fonds können mitzählen. Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine Konzerngesellschaft, die Teil komplexer (internationaler) Strukturen ist, verschärft sich das Informationsproblem. In solchen Fällen dürfte die Einführung eines konzerninternen Anteilsmonitorings erforderlich sein, um den Anfall von Grunderwerbsteuer zu verhindern und die Geschäftsführung vor Haftungsgefahren zu schützen. Außerdem könnten Gesellschaftsverträge durch (schadenersatzbewehrte) Informationspflichten ergänzt werden.

Zwar sieht das Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes auch eine sog. Börsenklausel vor, mit der erreicht werden soll, dass durch den Aktienhandel an bestimmten anerkannten Börsen kein grunderwerbsteuerpflichtiger Gesellschafterwechsel eintritt. Mit der Börsenklausel wird jedoch das Problem für nicht börsennotierte grundbesitzende Gesellschaften nicht entschärft. Im Übrigen ist die Börsenklausel insuffizient, weil nicht alle relevanten Börsen erfasst sind (z.B. Schweiz und China) und auch zahlreiche Finanzmarktinstrumente und aktienrechtliche Strukturmaßnahmen, bei denen Anteilsübergänge nicht „an der Börse“ erfolgen (z.B. IPO, Wertpapierleihe), von der Privilegierung ausgeschlossen sein dürften.

Mit der offensichtlich wahlkampfmotivierten kurzfristigen “Abschaffung der Share Deals“ stellt der Gesetzgeber grundstücksbesitzende Kapitalgesellschaften vor große Herausforderungen. Ob die Vollzugsdefizite (fehlende Kenntnismöglickeit der Geschäftsführung über Anteilsbewegungen auf höheren Beteiligungsebenen) zur Verfassungswidrigkeit der Reform führen, bleibt abzuwarten. Einstweilen besteht akuter Handlungsbedarf zwecks Absicherung der Geschäftsführung vor Haftungsgefahren.

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