European Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age.

Die EU-Kommission will alle Mittel für die Transformation der Wirtschaft nutzen
Dr. Nils Christian Ipsen
Freitag, der 3. Februar 2023

Die EU-Kommission hat am 1. Februar 2023 einen Green Deal Industrial Plan for the Net-Zero Age vorgestellt. Dadurch soll – gerade auch vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Inflation Reduction Act – die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen klimaneutralen Industrie verbessert und gleichzeitig der Übergang zur Klimaneutralität beschleunigt werden. Spätestens jetzt wird die Transformation der Wirtschaft mit den Mitteln der klassischen Industriepolitik vorangetrieben, damit sich die EU ihren Platz in einer sich wandelnden Welt sichert.

Green Deal Industrial Plan soll die Voraussetzung für die Wirtschaftstransformation sichern

Die EU hat sich das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dafür müssen in großem Maße grüne Technologien und Produkte verfügbar sein: Photovoltaikzellen, Windturbinen, Wärmepumpen, Wasserstoff-Elektrolyseure, Batterien und Anlagen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Einzelne Bereiche adressiert und fördert die EU bereits, z.B. die Erneuerbaren Energien und Wasserstoff. Der Green Deal Industrial Plan soll diese Förderungen ergänzen, um umfassend die Voraussetzungen für klimaneutrale Wirtschaft sicherzustellen. Gleichzeitig sollen dadurch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Europa einen wesentlichen Anteil am Markt für die serienmäßig hergestellten Clean Energy-Technologien erhält.

Der Plan basiert auf vier Säulen:

  • Ein berechenbares, kohärentes einfaches regulatorischen Umfeld für die Industrie, um den schnellen Aufbau von Produktionskapazitäten für die klimaneutrale Wirtschaft zu ermöglichen;
  • Einen schnelleren Zugang zu hinreichenden finanziellen Mitteln, um Investitionen zu fördern;
  • Die Förderung von Qualifikationen, die europäische Arbeitskräfte für die grüne Transformation benötigen;
  • Ein offener Handel für resiliente Lieferketten

Industriekapazitäten für die klimaneutrale Wirtschaft sollen aufgebaut werden

In der ersten Säule strebt die EU-Kommission einen Net-Zero Industry Act an, der u.a. sektorspezifische Ziele für die erforderliche CO2-arme Industriekapazitäten festlegt. Zudem sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, indem Fristen für die einzelnen Phasen festgelegt und z.B. zentrale Anlaufstellen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang sollen auch sog. Regulatory Sandboxesgeprüft werden, um neue Technologien schnell zu erproben. Etwaige Erkenntnisse können zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren genutzt werden.

Gleichsoll soll das richtige Umfeld für eine erfolgreiche Industrieentwicklung in diesem Bereich geschaffen werden:

  • Der Critical Raw Materials Act stellt sicher, dass die erforderlichen Rohstoffe in Europa verfügbar sind.
  • Eine Reform des Energiemarkts sorgt dafür, dass die Energieversorgung sicher und bezahlbar ist.
  • Die Förderung von Qualifikationen (nach der 3. Säule) sichert das Angebot an entsprechend ausgebildeten Arbeitskräften.

So soll sichergestellt werden, dass in Europa (und nicht in anderen Teilen der Welt) die industriellen Kapazitäten entstehen, die für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft erforderlich sind.

(National-)Staatliche Finanzierung wird erleichtert

Im Rahmen des Plans sollen zudem die Beihilferegeln vorübergehend aufgeweicht werden, um es den Mitgliedsstaaten leichter zu ermöglichen, Unternehmen in diesen Bereichen zu unterstützen. Dazu sollen (i) die Beihilfen für den Einsatz erneuerbarer Energien vereinfacht,

(ii) die Beihilfen für die Dekarbonisierung von Industrieprozessen ebenfalls vereinfacht, (iii) Investitionsförderungsprogramme für die Produktion von strategischen klimaneutralen Technologien – auch durch Steuervergünstigungen – verbessert und (iv) gezieltere Beihilfen für große neue Produktionsprojekte in strategischen klimaneutralen Wertschöpfungsketten unter Berücksichtigung der globalen Finanzierungslücken ermöglicht werden. Es soll dann unter bestimmten Bedingungen möglich werden, höhere Beihilfen zu gewähren, um die in Aussicht gestellten Förderungen im Nicht-EU-Ausland auszugleichen. Zudem sollen die Notifizierungsschwellen für Beihilfen für grüne Investitionen angehoben werden.

Daneben ist aber auch der Einsatz von EU-Mittel zur Unterstützung vorgesehen. Diese Mittel stammen allerdings weitgehend aus bereits existierenden Programmen, wie dem REPowerEU, dem InvestEU-Programm und dem Innovationsfonds, und werden nur neu allokiert. Gleichzeitig wird auch die Bedeutung von privaten Mitteln betont. Als konkrete Maßnahme wird indes nur (wieder einmal) der schnelle Ausbau der Kapitalmarktunion genannt. Die wesentliche Neuigkeit bleibt somit, dass die Mitgliedsstaaten leichter staatliche Förderungen in diesem Bereich vergeben können.

Offener Handel bleibt wichtig

Der Green Deal Industrial Plan zielt zwar auf die Stärkung der heimischen Wirtschaft ab, enthält aber auch (notgedrungen) ein Bekenntnis zum freien Handel. Freihandelsankommen sollen weiter vorangetrieben werden und mit den USA soll der Kooperation bei der grünen Transition, gerade im Hinblick auf den Inflation Reduction Act fortgesetzt werden. Der Bedarf an kritischen Rohstoffen soll durch Partnerschaften mit gleichgesinnten Partnern in einem Critical Raw Materials Club abgesichert werden. Ziel ist die Zusammenführung von Rohstoff“verbrauchern“ und rohstoffreichen Länder, um die globale Versorgungssicherheit durch eine wettbewerbsfähige und diversifizierte industrielle Basis zu gewährleisten.

Fazit: EU-Kommission will alle Mittel zur Unterstützung der Transition nutzen

Der Green Deal Industrial Plan ist bereits massiv kritisiert worden. Insbesondere die (temporäre) Lockerung der Beihilferegelungen wird von mehreren Mitgliedstaaten abgelehnt. Die Befürchtung ist, dass der Binnenmarkt dauerhaften Schaden nimmt, wenn es gerade wirtschaftlich starken Staaten erneut ermöglicht wird, ihre eigene Industrie durch staatliche Hilfen zu fördern. Das kann nicht nur die USA und China treffen, sondern auch zu Lasten der kleineren Mitgliedstaaten gehen.

Unabhängig davon, wie dieser Streit ausgehen wird, zeigt der Green Deal Industrial Plan jedenfalls, dass die EU-Kommission bereit ist, zentrale Prinzipien (z.B. den gemeinsamen Binnenmarkt) vorübergehend einzuschränken, um die Transition zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu fördern und gleichzeitig den Standort Europa in einer neuen Wirtschaftsordnung zu sichern. Jedes Unternehmen kann sich also darauf einstellen, dass dieser Weg mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln beschritten wird. Die private Wirtschaft muss sich so schnell wie möglich darauf einrichten, um von dieser Entwicklung zu profitieren und sie damit gleichzeitig zu verstärken.

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