EU-Bankenpaket bringt mehr Verbindlichkeit für Institute in Sachen Nachhaltigkeit
Nachhaltiges Risikomanagement soll Bankensektor resilienter machen
Die Europäische Kommission lässt ihren Ankündigungen Taten folgen: Über das am 27. Oktober 2021 angenommene Bankenpaket werden verbindliche Vorgaben zur Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement von Banken und Sparkassen vorgeschlagen. Zudem wird der Aufsichtsrahmen angepasst.
Die Kommission hatte dies bereits in der erneuerten Sustainable Finance Strategie von Juli 2021 zur Einbettung von Nachhaltigkeit in das Risikomanagement von Banken als notwendig angesehen, um die Widerstandsfähigkeit im Finanzsektor zu stärken. Dabei hatte sie verbindliche Regelungen in die Eigenkapitalverordnung (CRR) sowie die Eigenkapitalrichtlinie (CRD) in Aussicht gestellt. Nun ist es soweit.
Durch diese neuen Regelungen soll nicht nur der Bankensektor resilienter gegen Nachhaltigkeitsrisiken werden. Zugleich will die Kommission sicherstellen, dass Banken Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung tragen und hierdurch einen Beitrag für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem leisten.
Ein besseres Verständnis von ESG-Risiken setzt harmonisierte Definitionen voraus
Die Neuartigkeit von ESG-Risiken und ihre Besonderheiten bringen es mit sich, dass in den Instituten, aber auch bei den Aufsichtsbehörden ein heterogenes Verständnis von ESG-Risiken existiert. Um hier zu einheitlichen Begrifflichkeiten zu gelangen, werden in Art. 4 Abs. 1 Nr. 52d bis 52i CRR II harmonisierte Definitionen für die verschiedenen Arten von Risiken aufgenommen. Die Definitionen stehen dabei im Einklang mit den Definitionen, die seitens der EBA in ihrem Bericht zum Management von ESG-Risiken vom 23. Juni 2021 ausgearbeitet worden sind.
Meldepflichten sollen die Überwachung von ESG-Risiken verbessern
Weiter sehen die Änderungsvorschläge vor, dass Institute künftig Risikopositionen mit Bezug zu ESG-Risiken an die Aufsichtsbehörden melden. Hierdurch soll die Beaufsichtigung und Überwachung von Nachhaltigkeitsrisiken verbessert werden. Der Vorschlag enthält daher eine entsprechende Ergänzung der Meldevorschriften in Art. 430 Abs. 1 lit. h CRR II.
Eigenmittelunterlegung für Risikopositionen im ESG-Kontext ist noch nicht vom Tisch
Ob und ggf. in welcher Form künftig auch eine Eigenmittelunterlegung im Rahmen der Säule I mit Blick auf die ökologischen und sozialen Auswirkungen der von Instituten gehaltenen Vermögenswerte in Betracht kommt, ist hingegen noch offen. Anders als teilweise in Fachkreisen vermutet, stand eine Einbeziehung entsprechender Regelung in die CRR zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht an: Vielmehr sieht Art. 501c CRR II in seiner aktuell gültigen Fassung lediglich eine Prüfung und Berichterstattung der EBA bis 2025 vor.
Wie bereits in der erneuerten Sustainable Finance Strategie angekündigt, schlägt die Kommission nunmehr vor, die Berichterstattung der EBA über die aufsichtsrechtliche Behandlung von Risikopositionen im ESG-Kontext auf 2023 vorzuziehen (bisher 2025). Dies zeigt, dass die Kommission die Klärung der hoch umstrittenen Frage offenbar beschleunigen und somit im Ergebnis für Planungssicherheiten sorgen möchte.
Offenlegungspflicht für ESG-Risiken wird ausgeweitet
Um ESG-Risiken besser erfassen zu können, wurde bereits über Art. 449a CRR II eine Offenlegungsvorschrift für größere Institute mit börsennotierten Emissionen eingeführt. Da eine Großzahl von Instituten von dieser Offenlegung allerdings nicht erfasst wird, ist die unmittelbare Wirksamkeit dieser Vorschriften bislang beschränkt. Aus diesem Grund hält die Kommission die Ausweitung des personellen Anwendungsbereichs von Art. 449a CRR II auf alle Institute für erforderlich. Während kleine, nicht komplexe Institute nach der vorgeschlagenen Änderung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ESG-Risiken jährlich offen zu legen haben, sollen alle übrigen Institute halbjährlich berichten.
Banken sollen ESG-Risiken im Rahmen ihres Risikomanagements systematisch ermitteln, offenlegen und steuern …
Durch die Aufnahme detaillierter Änderungen und Ergänzungen der CRD V sollen Kreditinstitute künftig verpflichtet werden, Nachhaltigkeitsrisiken in ihren gesamten internen Prozessen sowie insbesondere im Risikomanagement besser zu erfassen und zu steuern. Außerdem sollen die Institute verpflichtet werden, regelmäßige Klimastresstests durchzuführen. In diesem Zusammenhang sollen Banken und Sparkassen künftig in ihren Strategien und internen Prozessen, insbesondere Kurz-, Mittel- und Langfristhorizonte von ESG-Risiken aufnehmen und bei der Bewertung ihres internen Kapitalbedarfs berücksichtigen. Leitungsorgane sollen verpflichtet werden, konkrete Pläne zur Bewältigung von ESG-Risiken aufzustellen.
…Aufsichtsbehörden sollen dies beaufsichtigen und bewerten
Über einen neu eingefügten Art. 87a sowie Ergänzungen in Art. 98 und Art 104 werden diverse Nachhaltigkeitsvorgaben in der CRD V verankert, mit deren Hilfe die Aufsichtsbehörden in die Lage versetzt werden sollen, das systematische Management von ESG-Risiken durch die Kreditinstitute zu überprüfen und zu bewerten. Darüber hinaus haben die zuständigen Behörden nach dem Änderungsvorschlag sicherzustellen, dass Kreditinstitute künftig ihre Resilienz gegenüber langzeitigen, negativen Auswirkungen von ESG-Faktoren sowohl in einem Basisszenario als auch in einem adversen Szenario testen. Gemeinsam mit den anderen ESAs wird die EBA in diesem Zusammenhang ermächtigt, kohärente Standards für die Methoden zur Durchführung von Stresstests zu Nachhaltigkeitsrisiken zu entwickeln, wobei zunächst vorrangig umweltbezogene Risiken behandelt werden sollen. Auch in Bezug auf die Einbeziehung von ESG-Risiken in den SREP soll EBA die Befugnis erhalten, entsprechende Leitlinien zu erlassen.
Verbindliche Nachhaltigkeit im Risikomanagement kommt nicht unerwartet
Die verbindlichen Vorgaben, welche die Kommission nunmehr vorschlägt, kommen für die Institute nicht wirklich überraschend. BaFin, EZB und EBA haben bereits durch unverbindliche Empfehlungen und Erwartungen in Merkblättern, Berichten und Leitfäden Kreditinstituten die Notwendigkeit einer umfassenden Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken nahegelegt und deren Überprüfung im aufsichtlichen Dialog in Aussicht gestellt. Das Bankenpaket wird nun im Europäischen Parlament und im Rat erörtert. Nach den Plänen der Kommission sollen die neuen Regeln ab dem 1. Januar 2025 Anwendung finden.