Die grüne Bibel ist erschienen – jedenfalls das wichtigste Kapitel
Die EU-Kommission hat am 21. April 2021 die lang erwartete erste Delegierte Verordnung zur Taxonomie-VO (DelVO Taxonomie) veröffentlicht. Mit der DelVO Taxonomie werden die ersten technischen Evaluierungskriterien für den wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung sowie die Grenzen für erhebliche Beeinträchtigungen von Umweltzielen für 70 Wirtschaftstätigkeiten festgelegt. Auf diese Weise soll verbindlich bestimmt werden können, welche Wirtschaftstätigkeiten ökologisch nachhaltig sind.
Die Veröffentlichung war Teil eines ganzen Pakets. Gleichzeitig veröffentlichte sie die Vorschläge zur Ergänzung der CSR-Richtlinie über die Berichtspflichten von Unternehmen und die Änderungen von sechs Delegierten Verordnung, u.a. zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in der Anlageberatung. Der Veröffentlichung der Delegierten Verordnung zur Taxonomie (DelVO Taxonomie) war ein langer Konsultationsprozess vorausgegangen, in den zunächst die Technical Expert Group (TEG) Vorschläge erarbeitet und in der Öffentlichkeit konsultiert hatte. Auf dieser Grundlage hatte die EU-Kommission im Herbst 2020 den ersten Entwurf für die Delegierte Verordnung zur öffentlichen Konsultation veröffentlicht. An diesem Konsultationsprozess beteiligten sich bemerkenswerter Weise 46.591 Stakeholder. Gleichzeitig diskutierte die EU-Kommission sie mit den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament, zumal beide gegen die Delegierte Verordnung noch ein Veto einlegen könnten. Es überrascht somit wenig, dass die Kommission dem ursprünglich avisierten Veröffentlichungszeitpunkt zum Ende des Jahres 2020 nicht ganz einhalten konnten.
Schritt: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel
Diese DelVO Taxonomie ist nur der erste Schritt, der zwei von sechs Umweltziele der TaxonomieVO abdeckt. Für den Klimaschutz sind die wissenschaftlich hergeleiteten Evaluierungskriterien in Annex 1 und für die Anpassung an den Klimawandel in Annex 2 enthalten. Mit dem Klimaschutz dürfte jedoch das drängendste Problem adressiert worden sein, das eine wesentliche Umgestaltung der Wirtschaft zur Folge haben wird. Es ist deswegen wenig verwunderlich, dass um die einzelnen Kriterien – ungeachtet des wissenschaftlichen Hintergrunds – intensiv politisch gerungen wird.
Streitpunkte Atom und Gas
Wie bereits in nahezu allen Tageszeitungen berichtet, klammert die DelVO Taxonomie die Frage der Nachhaltigkeit von Atomkraft und Gas zunächst aus. Die Nachhaltigkeit der Atomenergie war von Beginn an strittig. Die Kommission hatte deswegen zwischenzeitlich ihr Joint Research Center (JRC) mit einer Bewertung der Risiken für Mensch und Natur beauftragt. Das JRC kam zum dem Ergebnis, dass die Kernenergie grundsätzlich als nachhaltig eingestuft werden könne. Diese Einschätzung hat die Diskussion allerdings nicht beendet. Gleichzeitig flammte noch einmal die Diskussion auf, ob Gaskraftwerke als Brückentechnologien nachhaltig sein können. Beide Fragen wurden jetzt ausgeklammert, um eine Einigung zu ermöglichen, Sie sollen nun bis Ende des Jahres in der nächsten Delegierten Verordnung, die die Kriterien für die weiteren vier Umweltziele betrifft, beantwortet werden.
Änderungen im Detail
Im Übrigen haben sich im Vergleich zu dem ersten Entwurf noch eine Reihe von Änderungen in den Details ergeben. Auffällig ist besonders, dass die Landwirtschaft nun nicht mehr Berücksichtigung findet. Dieser Ausschluss wird damit begründet, dass nicht den laufenden Verhandlungen zur gemeinsamen Agrarpolitik vorgegriffen werden soll. Bei der Produktherstellung ist die grundsätzliche Anlehnung an die Benchmarks des Europäischen Emissionshandelssystems bestätigt worden. Gleichzeitig gab es Nachschärfungen bei der Beschreibung der einzelnen Herstellungsprozesse sowie eine Erweiterung des abgedeckten Umfangs von einigen Aktivitäten. Auch in den anderen Bereichen wurden vergleichbare Details noch justiert. Erwähnenswert erscheint noch der Bereich der Gebäude. Insbesondere beim Besitz und Kauf von Gebäuden wurde – wie ursprünglich auch von der TEG vorgeschlagen – nicht nur ein absoluter Schwellenwert für den Energieverbrauch abgestellt. Vielmehr kann es auch einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz darstellen, wenn ein Gebäude beim Primärenergieverbrauch unter den Top 15% des regionalen oder nationalen Gebäudebestandes ist.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Die Veröffentlichung der DelVO stellt einen wesentlichen Meilenstein für die Taxonomie dar. Der nächste Schritt steht jedoch bereits unmittelbar bevor. Bis zum Sommer soll die Kommission die Delegierte Verordnung zu den Taxonomie-Transparenzpflichten von CSR-berichtspflichtigen Unternehmen erlassen. Die EBA hat bereits entsprechende Vorschläge für Banken, die EIOPA für Versicherungen und die ESMA für Unternehmen und Asset Manager veröffentlicht. Es zeigt sich, dass auf die betroffenen Unternehmen wesentliche Herausforderungen zukommen, wenn sie den Grad ihrer Taxonomiekonformität bestimmen müssen. Dass hiervon bald bedeutend mehr Unternehmen erfasst sein könnten, verdeutlicht die mit den Ergänzungen der CSR-Richtlinie vorgeschlagene Ausweitung der Berichtspflichten auf alle börsennotierten sowie große nicht-börsennotierte Unternehmen.