Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds – Erprobte Rettungsmaßnahme aus der Finanzkrise – Jetzt auch für die Realwirtschaft
Als Teil der Rettungsmaßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie hat der Bundestag gestern einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds errichtet. Dadurch sollen Unternehmen im Interesse der Volkswirtschaft stabilisiert werden.
Was ist ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds?
Mit Wirtschaftsstabilisierungsfonds sollen Unternehmen der Realwirtschaft unterstützt werden, um die Volkswirtschaft zu stabilisieren und Arbeitsplätze zu erhalten. Der Bund bedient sich dabei eines Instruments, das während der Finanzkrise bereits erfolgreich zur Rettung von Finanzinstituten genutzt worden ist. Dadurch kann auf bestehende gesetzliche Regelungen und Verwaltungsstrukturen zurückgegriffen werden. Zudem werden temporär Modifikationen von insbesondere gesellschaftsrechtlichen Anforderungen zugelassen, die eine schnelle Stabilisierung ermöglichen sollten. Diese Modifikationen können auch gelten, wenn die Bundesländer vergleichbare Unterstützungsfonds errichten.
Wer kann von dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds profitieren?
Der Stabilisierungsfonds richtet sich zunächst an große Unternehmen, die zwei der nachfolgenden Kriterien erfüllt haben (a) eine Bilanzsumme von mehr als 43 Millionen Euro, (b) mehr als 50 Millionen Euro Umsatzerlöse sowie (c) mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.
Daneben können auch Unternehmen profitieren, die diese Anforderungen nicht erfüllen, aber bedeutsam für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik sind. Dazu können u.a. auch Betreiber einer Kritischen Infrastruktur, bestimmte Software-Entwickler oder Unternehmen der Medienwirtschaft gehören (vgl. die Liste in § 55 Außenwirtschaftsverordnung).
In letzter Minute ist der Anwendungsbereich noch auf große Start-Ups erweitert worden. Von den Stabilisierungsmaßnahmen können nunmehr auch Unternehmen profitieren, die seit dem 1. Januar 2017 in mindestens einer Finanzierungsrunde von privaten Kapitalgebern mit einem Unternehmenswert von mindestens 50 Millionen Euro einschließlich des durch diese Runde eingeworbenen Kapitals bewertet wurden.
Auf welche Art können die Unternehmen vom Wirtschaftsstabilisierungsfonds profitieren?
Grundsätzlich sind drei Arten von Stabilisierungsmaßnahmen vorgesehen:
- Garantien: Der Stabilisierungsfonds kann Garantien für zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und dem 31.12.2021 begebene Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten von Unternehmen übernehmen. Diese Garantien sollen Liquiditätsengpässe beheben und die Refinanzierung an den Kapitalmärkten unterstützen. Sie entfalten somit eine positive Wirkung auf der Passivseite der Bilanz, indem sie die Aufnahme von Fremdkapital erleichtern. Für die Übernahme der Garantien ist eine angemessene Gegenleistung zu erheben.
- Rekapitalisierung: Der Stabilisierungsfonds kann sich an der Rekapitalisierung von Unternehmen beteiligen. Zu den möglichen Rekapitalisierungsmaßnahmen gehören der Erwerb von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Genussrechten, stillen Beteiligungen, Wandelanleihen und Anteilen an Unternehmen sowie die Übernahme sonstiger Bestandteile des Eigenkapitals der Unternehmen. Stets müssen diese Maßnahmen zur Stabilisierung erforderlich sein und gegen eine angemessene Vergütung erfolgen.
- Refinanzierung von KfW-Darlehen: Der Stabilisierungsfonds kann der KfW Darlehen zur Refinanzierung von Sonderprogrammen im Zusammenhang mit der Corona-Krise gewähren.
In welchem Umfang kann der Stabilisierungsfonds insgesamt Mittel zur Verfügung stellen?
Der Stabilisierungsfonds wird zur Übernahme von Garantien in einer Höhe von bis zu 400 Milliarden Euro ermächtigt. Für die Rekapitalisierungsmaßnahmen und die Refinanzierung von KfW-Darlehen wird das BMF jeweils zur Kreditaufnahme in Höhe von 100 Milliarden Euro ermächtigt. Mit einem potentiellen Volumen von insgesamt 600 Milliarden Euro ist somit die Größenordnung aus den Zeiten der Finanzkrise erreicht bzw. in Teilen überschritten.
Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen für diese Unterstützung erfüllen?
Die interessierten Unternehmen verhandeln die Garantien oder Rekapitalisierungsmaßnahmen mit dem BMWi und beantragen sie auch dort. Voraussetzungen für die Stabilisierungsmaßnahmen sind insbesondere, dass das Unternehmen (i) keine anderweitige Finanzierungsmöglichkeit hat, (ii) eine klare eigenständige Fortführungsprognose nach der Pandemie bietet, (iii) sich nicht bereits vor dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten befand und (iv) Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bietet.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht gleichwohl kein Rechtsanspruch auf die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen. Vielmehr entscheidet das BMF in Einvernehmen mit dem BMWi darüber nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei werden berücksichtigt (i) die Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands, (ii) die Dringlichkeit, (iii) die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb und (iv) der Grundsatz der sparsamen Mittelverwendung. Ein Unternehmen hat aber einen – ggf. gerichtlich durchsetzbaren – Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensausübung. Weitere Einzelheiten können durch Rechtsverordnung geregelt werden.
An welche Bedingungen sind die Stabilisierungsmaßnahmen geknüpft?
Die Stabilisierungsmaßnahmen können an bestimmte Bedingungen geknüpft werden, die durch eine Rechtsverordnung näher ausgestaltet werden. So können u.a. Anforderungen für die Verwendung der aufgenommenen Mittel, die Vergütung der Organe und die Ausschüttung von Dividenden aufgenommen werden. Dazu kann es erforderlich sein, dass das vertretungsberechtigte Organ mit Zustimmung des Aufsichtsorgans eine öffentliche Verpflichtungserklärung zur Einhaltung dieser Bedingungen abgibt. Die Erfahrungen der Finanzkrise zeigen, dass aufgrund dieser Bedingungen die Stabilisierungsmaßnahmen nicht bei allen Organvertretern und Aktionären bzw. Gesellschaftern auf Zustimmung stoßen dürften.
Wie lange können Stabilisierungsmaßnahmen beantragt werden?
Stabilisierungsmaßnahmen sind bis zum 31. Dezember 2021 möglich. Danach können noch etwaig erworbene Unternehmensbeteiligungen fortgeführt werden.
Wie können die zuständigen Organe in den Unternehmen die erforderlichen Voraussetzungen schaffen?
Neben den Regelungen zur Errichtung des Stabilisierungsfonds soll das Gesetz auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die mit den Rekapitalisierungsmaßnahmen verfolgten Ziele schnell erreicht werden können. Deswegen werden punktuelle und zeitlich befristete Modifizierungen des Gesellschafts- und Aufsichtsrechts vorgenommen. Diese Modifizierungen sind allerdings auf Kapitalmaßnahmen und Transaktionen beschränkt, die im Zusammenhang mit den Stabilisierungsmaßnahmen stehen. Auch hier wird weitgehend an die erprobten Regelungen aus der Phase der Finanzmarktstabilisierung angeknüpft.
Diese besonderen Ausnahmeregeln beginnen damit, dass die mit den Stabilisierungsmaßnahmen verbundenen Bedingungen nicht im Widerspruch zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft stehen. Gerade für das formstrenge Aktienrecht sind verschiedene Modifikationen geregelt, die die kurzfristige Aufnahme von neuem Kapital erleichtern. Besondere Aufmerksamkeit hat bei der Finanzmarktstabilisierung die Absenkung des Squeeze-Out-Quorums von 95% auf 90% des Grundkapitals gefunden, um so die Rekapitalisierung auch gegen den Widerstand von Minderheitsaktionären durchsetzen zu können.
Aber auch für die andere Gesellschaftsformen sind entsprechende Modifikationen vorgesehen. Neu sind die Regelungen für die GmbH, da – anders als bei den Finanzinstituten – nicht ausgeschlossen ist, dass Unternehmen auch in dieser Form organisiert sind. Dort soll bereits eine Mehrheit von ¾ der anwesenden Stimmen ausreichen, um einen Gesellschafter aus der GmbH auszuschließen.
Wie sieht es mit vergleichbaren Unterstützungsfonds der Bundesländer aus?
Sofern die Bundesländer eigene Unterstützungsfonds errichtet haben, gelten die gesellschafts- und aufsichtsrechtlichen Modifikationen weitgehend entsprechend. So soll es auch bei diesen Unterstützungsfonds ermöglicht werden, die erforderlichen Maßnahmen schnell und unkompliziert umzusetzen.