Das Tempo bleibt hoch – EU-Strategie zur Finanzierung des Übergangs zur nachhaltigen Wirtschaft

Die EU-Kommission leitet die nächste Phase auf dem Weg zu einem nachhaltigen Finanzsektor ein und legt ihre neue Sustainable Finance Strategie vor.
Dr. Friederike Schulte zu Sundern,
Dr. Nina Scherber
Freitag, der 30. Juli 2021

Auf den Aktionsplan folgt eine neue Strategie

Nachdem die EU-Kommission im März 2018 ihren „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ (COM(2018) 97 final (im Folgenden „Aktionsplan“) vorgelegt und die dort angekündigten Maßnahmen zwischenzeitlich in weiten Teilen umgesetzt hat, hat sie mit ihrer am 6. Juli 2021 veröffentlichten neuen „Strategie zur Finanzierung des Übergangs zu einer  nachhaltigen Wirtschaft“ (COM(2021) 390 final) (im Folgenden: „neue Strategie“) ihr nächstes Arbeitspaket vorgelegt. Mit dieser neuen Strategie werden die bereits durch den Aktionsplan auf den Weg gebrachten Maßnahmen fortgeführt, weiterentwickelt und ergänzt. Dabei greift sie bereits laufenden Entwicklungen auf und setzt zusätzliche Schwerpunkte. Orientiert hat sich die Kommission dabei  insbesondere an einem im März diesen Jahres veröffentlichten Bericht der Platform on Sustainable Finance, in dem auf sechs Fragen zur Rolle der Taxonomie eingegangen wird. Außerdem wurden die Ergebnisse einer im zweiten Quartal 2020 abgehaltenen öffentlichen Konsultation berücksichtigt. Neben der bereits mit dem Aktionsplan in Gang gesetzten  Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit hat sich die neue Strategie insbesondere auch die Gestaltung einer nachhaltigen Erholung der Wirtschaft von den Folgen der Covid-19-Pandemie zum Ziel gesetzt.

Vier Bereiche, sechs Maßnahmenpakte: Die Struktur und geplanten Maßnahmen der Strategie

Mit ihrer neuen Strategie adressiert die Kommission vier Bereiche, in denen zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, damit das Finanzsystem den Übergang der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit umfassend unterstützen kann:

  1. Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft: den Wirtschaftsteilnehmern sollen die erforderlichen Werkzeuge und Richtlinien an die Hand gegeben werden.
  2. Inklusion: Bürger sowie kleine und mittlerer Unternehmen (KMU) sollen stärker berücksichtigt und ihr Zugang zu nachhaltiger Finanzierung verbessert werden.
  3. Resilienz und Beitrag zur Nachhaltigkeit: Der Finanzsektor soll selbst auch widerstandsfähiger werden und Greenwashing bekämpfen und dadurch dazu beitragen, dass die Ziele des Green Deals erreicht werden.
  4. Globale Anstrengungen: Das globale Engagement bei der Förderung einer nachhaltigen Wirtschaft soll ausgebaut werden.

Für diese Bereiche hat die Kommission sechs verschiedene Maßnahmenpakte formuliert, um über eine nachhaltige Finanzwirtschaft die Ziele des Pariser Klimaabkommens und der Agenda 2030 der UN zu erreichen.

Finanzierung des Übergangs zur nachhaltigen Wirtschaft

Die Kommission will nicht nur solche Wirtschaftstätigkeiten in den Blick nehmen, die bereits nachhaltig sind, sondern auch die notwendigen Zwischenschritten auf dem Weg zu einem klimaneutralen Europa (Maßnahmenpaket 1):

  • Wirtschaftstätigkeiten – insbesondere im Energiesektor –, die zu einer Reduzierung des Treibhausgasemissionen beitragen, sollen durch gesetzliche Regelungen bei der Finanzierung unterstützt werden. Dies dürfte insbesondere die Energieerzeugung durch Gas (und ggf. Atomkraft) betreffen.
  • Die Taxonomie soll weiterentwickelt werden. Es soll eine neue Zwischenkategorie von Wirtschaftstätigkeiten eingeführt werden, die zwar keinen Beitrag zu den Umweltzielen leisten, aber diese auch nicht erheblich einschränken. Auf diese Weise sollen einzelne Fortschritte beim Übergang besser abgebildet werden.
  • Wie bereits angekündigt, sollen weitere Wirtschaftstätigkeiten in die Level-Zwei-Verordnung zur Taxonomie aufgenommen werden und Kriterien für die vier ausstehenden Umweltziele entwickelt werden.
  • Nachhaltigkeitsstandards und entsprechende Labels sollen weiterentwickelt werden, um einen transparenten Rahmen zu schaffen und Greenwashing zu verhindern. Dies könne auch durch Anpassung des Rechtsrahmen für Label im Finanzmarkt insgesamt erfolgen.

Mehr Inklusion von Bürgern und KMUs

Mit Ihrem Maßnahmenpaket 2 möchte die Kommission auch Privatanlegern und KMUs einen breiteren Zugang zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft ermöglichen. In diesem Zusammenhang beabsichtigt die Kommission unter anderem:

  • Es soll geprüft werden, wie ihr Zugang zu nachhaltigen Anlagemöglichkeiten durch grüne Verbraucherdarlehen und Hypotheken erreicht werden kann. Gleichzeitig sollen die Kenntnisse von Bürgern im Finanzbereich verbessert werden. Für KMUs soll im Rahmen der CSRD ein einfacher freiwilliger Nachhaltigkeitsstandard für ihr Reporting entwickelt werden.
  • Innovative digitale Technologien, die Bürger, Investoren oder KMU bei der Berücksichtigung Nachhaltigkeitsaspekten unterstützen können, sollen gefördert werden.
  • Im Bereich des Versicherungswesens soll die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen („EIOPA“) Versicherungslücken bei den Risiken des Klimawandels aufdecken.
  • Die Entwicklung einer sozialen Taxonomie soll vorangetrieben werden.

Stärkung der Resilienz

Nachdem bereits die  EBA in ihrem Bericht sowie die EZB in ihren Leitfaden zum Umgang mit Klimarisiken auf die Notwendigkeit der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in die gesamten internen Prozesse sowie in das Risikomanagement von Banken hingewiesen haben, greift dies auch die Kommission in ihrer neuen Strategie auf. Hiernach soll die Finanzwirtschaft resilienter werden gegen Nachhaltigkeitsrisiken, Greenwashing verhindern und darüber hinaus auch selbst einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.

Zu Erreichung dieses Ziels plant die EU folgende Maßnahmen (Maßnahmenpaket 3):

  • Gemeinsam mit internationalen Marktakteuren wie der EFRAG, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (“ESMA“) und auch dem International Accounting Standards Board („IASB“) will die Kommission ermitteln, ob die International Financial Reporting Standards („IFRS“) nachhaltigkeitsbezogene Risiken hinreichend abdecken und wie diese Risiken am besten abgebildet werden können.
  • Es soll sich sichergestellt werden, dass Ratings ESG-Risiken systematisch und transparent berücksichtigen.
  • Änderungen in der Eigenkapitalverordnung (CRR) und der Eigenkapitalrichtlinie (CRD) sollen vorgeschlagen werden, um die konsequente Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die Risikomanagementsysteme von Banken sicherzustellen, einschließlich der Einführung eines Klimawandel-Stresstests durch Banken.
  • Im Hinblick auf eine verbesserte Integration von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement und der Aufsicht über Versicherer soll die Solvency II Richtlinie überarbeitet werden.
  • Die Messbarkeit von Finanzrisiken aufgrund von Nachhaltigkeitsrisiken soll verbessert werden.

Ferner soll Greenwashing verhindert und der Übergang zu einem nachhaltigen Finanzsystem beobachtet werden (Maßnahmenpaket 5):

  • Zunächst soll überprüft werden, ob Greenwashing-Risiken durch die Aufsichtsbehörden angemessen erfasst und bewertet werden können. Zudem soll das Risiko durch Greenwashing bewertet werden.
  • Gleichzeitig sollen Kapitalströme gemessen werden und die Mitgliedstaaten dabei unterstützt werden, sowohl Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft als auch bestehende Investitionslücken zu ermitteln.
  • Die Zusammenarbeit aller relevanten Behörden soll fortgeführt werden, um Nachhaltigkeit weiter ins europäische Finanzsystem zu integrieren.

Förderung globaler Anstrengungen

Nicht zuletzt sollen auch die weltweiten Bemühungen, das globale Problem des Klimawandels zu bekämpfen, fortgeführt werden. Dazu soll der bereits bestehende internationale Dialog fortgeführt und intensiviert werden, insbesondere durch die Fortführung der International Platform on Sustainable Finance („IPSF“), die von der Kommission gemeinsam mit sieben weiteren Jurisdiktionen gegründet wurde und die inzwischen 17 Mitglieder hat. Aber auch innerhalb der Union sollen Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei ihren Investitionen in Nachhaltigkeit unterstützt werden.

Die Kommission drückt aufs Tempo

 Mit ihrer neuen Strategie beschleunigt die Kommission merklich das Tempo und die Intensität für die mit dem Aktionsplan in Gang gesetzte Transformation der Realwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit. Auch haben die geplanten Maßnahmen, die den Finanzmarkt nachhaltiger gestalten sollen, nicht an Ambition verloren. Einen Bericht über den Umsetzungsstand ihrer Strategie hat die Kommission für 2023 angekündigt.

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