
Wie KMU zu nachhaltigen Finanzierungen kommen können – Plattform on Sustainable Finance schlägt freiwilligen Berichtsstandard vor
KMU spielen zentrale Rolle für die Nachhaltigkeitstransformation
Nach den Schätzungen der Platform on Sustainable Finance (PoSFF), einem Beratungsgremium, das die Europäische Kommission bei der Umsetzung und Nutzbarkeit der Taxonomie-VO und des Rahmens für nachhaltige Finanzen berät, tragen KMU zu über 50% zum BIB der EU bei und sind für mehr als 63% Treibhausgasemissionen der Unternehmen verantwortlich. Soll die Transformation zu einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaft gelingen, muss den KMU der Zugang zu nachhaltiger Finanzierung erleichtert werden, damit sie die Dekarbonisierung ihrer Betriebe sowie die Umweltverträglichkeit ihrer Geschäftsmodelle und Produkte erfolgreich voranbringen können. Bislang verwenden nur wenige KMU freiwillige die Taxonomie-VO als Referenzrahmen, um die ökologische Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeiten nachzuweisen. Vielmehr stellt sich die Einhaltung der technischen Bewertungskriterien nach den Delegierten Verordnungen (EU) 2021/2139 (KlimaDelVO) und (EU) 2023/2486 (Umwelt-DelVO) für KMU häufig als zu komplex und aufwendig dar. Gleichzeitig wird die Taxonomie-VO immer öfter als Benchmark für den Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen von Kreditinstituten herangezogen. Auch sind KMU in der Wertschöpfungskette vermehrt taxonomiebezogenen Informationsanfragen ihrer Geschäftspartner ausgesetzt. Hier setzt nun die PoSF mit ihrem Vorschlag für einen KMU-Standard für nachhaltige Finanzierung an, der einerseits KMU beim Zugang zu externer Finanzierung für ihre Nachhaltigkeitsbemühungen und gleichzeitig Finanzinstituten bei der Bewertung und freiwilligen Berichterstattung über solche Finanzierungen unterstützen soll. Weniger Komplexität und Reduzierung des Verwaltungsaufwandes stehen dabei im Vordergrund.
Nachhaltigkeitsbemühungen außerhalb der Taxonomie sollen anerkannt werden
Der KMU-Standard zielt darauf ab, klimabezogene Nachhaltigkeitsbemühungen von KMU außerhalb des strengen Taxonomie-Korsetts anzuerkennen. Deshalb können Unternehmen, die diesem Standard unterfallen, sich selbst, ihre Investitionen oder ihr Unternehmen zwar nicht als taxonomiekonform bezeichnen. Mit Hilfe des freiwilligen Standards sollen KMU aber die Möglichkeit bekommen, ihre klimabezogenen Nachhaltigkeitsbemühungen sichtbar zu machen und dadurch externe Finanzierung zu erhalten. Der Standard konzentriert sich zunächst auf die klimabezogenen Nachhaltigkeitsbemühungen von KMU (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel), soll aber perspektivisch auch auf die verbleibenden Umweltziele ausgeweitet werden. Nach dem Standard ist ein mehrstufiges Prüfschema vorgesehen, mit dem KMU die Konformität ihrer klimabezogenen Nachhaltigkeitsbemühungen nachweisen können. Dies ist der Fall, wenn
1. die Tätigkeit des KMU mit dem Standard für nachhaltige Finanzierung konform ist.
Dies können zum einen Tätigkeiten sein, die unter die in der Klima-DelVO aufgeführten Wirtschaftstätigkeiten fallen. In diesem Zusammenhang macht die PoSF sieben Empfehlungen, wie im Rahmen des freiwilligen KMU-Standards die technischen Bewertungskriterien für den wesentlichen Beitrag sowie für die Beschreibung der förderfähigen Tätigkeit vereinfacht werden können (u.a. Reduzierung der zu bewertenden Wirtschaftstätigkeiten durch Gruppierung ähnlicher Tätigkeiten, Vereinfachung der Verweistechnik, Beseitigung mehrdeutiger Formulierungen), damit sie auch für KMU besser handhabbar werden.
Zum anderen können aber auch Tätigkeiten des KMU standardkonform sein, die zwar nicht in der Klima-DelVO aufgeführt sind, die aber dennoch auf eine Verbesserung des Klimaschutzes ausgerichtet sind. Neben dem Umsatz sollen hier zusätzliche Kriterien für die Identifizierung der Standardkonformität der Tätigkeit maßgeblich sein und in entsprechende Listen der Europäischen Kommission aufgenommen werden (z.B. Auszeichnung des KMU mit Preis für saubere Technologien; geistiges Eigentum im Bereich erneuerbare Energien oder Cleantech; registriertes klimabezogenes Umweltzeichen eines EU-, nationalen oder internationalen Kennzeichnungssystem).
Erfüllt eine Tätigkeit des KMU diese Anforderungen, hat das KMU den mit der Tätigkeit erzielten Umsatz oder den mit der Tätigkeit im Zusammenhang stehenden CapEX offenzulegen.
Sofern das KMU keine derartigen Tätigkeiten nachweisen kann, kann die Standardkonformität aber auch dann bejaht werden, wenn
2. das Unternehmen selbst die Kriterien des KMU-Standards erfüllt.
Entweder weil das Unternehmen vor kurzem im Rahmen seines Geschäftsmodells klimabezogene Praktiken eingeführt hat, die den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft fördern oder das KMU ein klimabezogenes Zertifikat aus einer vordefinierten Liste besitzt. Dabei dürfen diese Kriterien nicht auf Unternehmen angewendet werden, deren Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen steht oder unter die anderen Ausschlüsse nach Art. 12 der Delegierten Verordnung zur Ergänzung EU-BenchmarkVO fällt. Erfüllt das KMU diese unternehmensbezogenen Kriterien, so kann es seine Konformität mit dem KMU-Standard für nachhaltige Finanzen mit 100% angeben. Werden die unternehmensbezogenen Kriterien vom KMU nicht erfüllt, kann das KMU eine Standardkonformität dennoch angeben, wenn es
3. Investitionen zur Verbesserung der klimabezogenen Nachhaltigkeit tätigt.
Hierunter fallen Investitionen in Projekte oder Maßnahmen des KMU, die nicht zu seiner Haupttätigkeit gehören, aber auf Verbesserungen der klimabezogenen Nachhaltigkeit abzielen. Dabei kann es sich z.B. um Investitionen in Technologien, Ausrüstungen, Systeme oder Prozesse zur Verringerung des Energieverbrauchs oder der Treibhausgasemissionen handeln. Alternativ können auch Investitionen in die Elektrifizierung von Geräten oder Anlagen in Betracht kommen, die zuvor mit fossilen Brennstoffen betrieben wurden.
Risiko- und Schwachstellenbewertung soll vereinfacht werden
Da die nach der KlimaDelVO durchzuführende physische Risikobewertung aufwendig und anspruchsvoll ist, schlägt die PoSF darüber hinaus vereinfachte Prüfschritte für die Risiko- und Schwachstellenbewertung durch KMU vor. So sollen sich diese auf ein High-Level-Screening der anwendbaren Gefahren sowie einer relevanten Risikobewertung mit Hilfe bereits verfügbarer öffentlicher Quellen und Ressourcen (z.B. Copernicus Climate Change Service der EU) beschränken dürfen.
Mindestmaß an ökologischen und sozialen Schutzmaßnahmen ist einzuhalten
Um die Konformität nach dem KMU-Standard für nachhaltige Finanzen nachzuweisen, muss das KMU ferner einen ökologischen und sozialen Mindestschutz einhalten, der Folgendes voraussetzt:
- Das KMU verhält sich gesetzeskonform;
- das KMU darf keine Tätigkeiten in Sektoren finanzieren, die unter die Ausschlüsse nach der EU-Benchmark-VO für an das Pariser Abkommen ausgerichtete Benchmarks fallen (z.B. Tätigkeiten im Zusammenhang mit kontroversen Waffen, Tabakanbau- und produktion, fossile Brennstoffe, Stein- und Braunkohleabbau u.a.) und
- das KMU soll über die Nachhaltigkeitsindikatoren des vereinfachten Berichtstandards berichten, der im Omnibus-Paket (vgl. hierzu Blog lindenpartners) vorgeschlagen und auf Grundlage des VSME-Standards entwickelt werden soll.
Entsprechende Vorschläge zur Einhaltung der DNSH-Kriterien sowie des Mindestschutzes hatte die PoSF bereits in ihre Anfang Februar 2025 veröffentlichten Empfehlungen zur Vereinfachung der TaxonomieVO aufgenommen(vgl. hierzu Blog_lindenpartners).
Die Einhaltung dieser Voraussetzungen sollen Kreditinstitute, die nach dem KMU-Standard für nachhaltige Finanzen förderfähige Finanzierungen ausreichen wollen, mittels eines Mindest-Screenings überprüfen.
Online-Tool soll KMU den Nachhaltigkeitscheck erleichtern
Um die Beantragung nachhaltiger Finanzierungen zu unterstützen, schlägt die PoSF in ihrem Bericht darüber hinaus die Entwicklung eines Online-Tools vor und skizziert mögliche Entwicklungsschritte. Zur Orientierung, wie ein solches Tool aussehen könnte, verweist die PoSF auf das Tool für Nachhaltigkeitsgarantien des Europäischen Investment Fund (EIF) sowie das des greenchecker der Europäischen Investment Bank (EIB).
Wie Finanzinstitute den freiwilligen Standard für KMU-Finanzierungen nutzen können
Während KMU jeweils ihren genauen Umsatz bzw. Capex offenlegen sollen, der mit dem KMU-Standard für nachhaltige Finanzierung konform ist, sollen Finanzinstitute bei ihrer Berichterstattung eine Wesentlichkeitsgrenze zugrunde legen und sich auf die Haupttätigkeit des KMU, die 90-100% seines Umsatzes ausmacht, stützen. Die Haupttätigkeit darf sich dabei nicht auf Sektoren beziehen, die unter die Ausschlüsse nach der EU-Benchmark-VO für an das Pariser Abkommen ausgerichtete Benchmarks fallen. Die PoSF schlägt vor, dass Finanzinstitute den KMU-Standard nach folgendem Prüfungsschema verwenden:

Quelle: Abb. 2 PoSF, Streamlining Sustainable Finance for SMEs, March 2025
Fazit
Die Idee eines auf KMU zugeschnittenen Standards für nachhaltige Finanzierungen ist zu begrüßen, da im KMU-Bereich ein großes Transformationspotential liegt. Auch die im Rahmen des ökologischen und sozialen Mindestschutzes angedachte Berichterstattung nach dem vereinfachten freiwilligen Berichtsstandard, der im Rahmen der Omnibus-Verschläge entwickelt werden soll, dürfte eine sinnvolle Verknüpfung darstellen. Bleibt abzuwarten, ob und wie die Europäische Kommission den Vorschlag der PoSF aufgreifen wird.