Verkauf von Gutscheinen – Rettung in der Not?
Nicht nur Rückerstattungsansprüche aus bereits gekauften Eintrittskarten für abgesagte Freizeitveranstaltungen sollen jetzt auf der Grundlage einer gesetzlichen Sonderregelung in Gutscheine als „neue Krisenwährung“ umgewandelt werden. Plattformen wie Helfen.Berlin, PayNowEatLater, pleasedontclose oder #gemeinsamdadurch helfen auch anderen von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen dabei, durch den Verkauf von Gutscheinen weiterhin laufende Einnahmen zu generieren und so Umsatzeinbußen aufzufangen. Die Unternehmen erhalten so nicht nur dringend benötigte Liquidität, sondern auch ermutigenden Zuspruch durch ihre Kunden.
Abwendung der Insolvenz durch Gutscheine?
Jedoch können sich Unternehmen am Rande der Insolvenz nur bedingt mit dem Verkauf von Gutscheinen „retten”. Der Grund dafür liegt im Bilanzrecht.
Zwar hängt die bilanzielle Behandlung von Gutscheinen jeweils von der konkreten Ausgestaltung ab und sollte daher im Einzelfall geprüft werden. In der Regel lässt sich aber für die in der Krise verkauften Wertgutscheine für Waren oder Dienstleistungen sagen: Bilanziell erhöhen die Einnahmen aus den verkauften Wertgutscheinen zwar den Kassenbestand und damit die Aktivseite. Gleichzeitig muss aber ein entsprechender Passivposten gebildet werden. In der Regel werden die Wertgutscheine als Verbindlichkeit, nämlich als erhaltene Anzahlung (bei Gutscheinen für konkrete Leistungen) oder als Wertpapier (bei Gutscheinen, die als Zahlungsmittel für das gesamte Sortiment gelten) passiviert. Es handelt sich bilanziell gewissermaßen um einen Kredit des Kunden gegenüber dem Unternehmer, der nicht erfolgswirksam ist. Einen Gewinn kann der Unternehmer erst bei Einlösung des Gutscheins verbuchen, also wenn die Verbindlichkeit aufgelöst wird. Zwar kann gegebenenfalls berücksichtigt werden, dass ein gewisser Teil der Kunden die Gutscheine nicht einlösen wird. Dies kann den gebuchten Passivposten aber allenfalls der Höhe nach geringfügig mindern.
Insolvenzrechtlich bedeutet dies: Jedenfalls beim Insolvenzgrund der Überschuldung helfen die Einnahmen aus Gutscheinverkäufen nur sehr begrenzt weiter. Hinsichtlich des – praktisch relevanteren – Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit hingegen können Gutscheine tatsächlich eine erhebliche Erleichterung für insolvenznahe Unternehmen bringen. Bei der Prüfung der Zahlungsfähigkeit werden nämlich Verpflichtungen zu Lieferungen oder der Vornahme von anderen Leistungen nicht berücksichtigt.
Durch den Verkauf von Gutscheinen lässt sich eine unmittelbar drohende Insolvenz also nicht immer abwenden – nämlich dann nicht, wenn das Unternehmen überschuldet ist. An dieser Stelle hat jedoch der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ (COVInsAG) reagiert (mehr dazu hier). Durch dieses Gesetz wird die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags bis zum 30. September 2020 ausgesetzt, sofern die Insolvenzreife auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus beruht und wenn Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Sobald Insolvenzreife eingetreten ist, sind ferner im Grundsatz keine Zahlungen mehr zulässig. Dann dürften auch die Einnahmen aus dem Gutscheinverkauf nicht mehr ausgegeben werden. Anderenfalls könnten Geschäftsleiter wegen Masseschmälerung (§ 64 Satz 1 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 1 AktG, § 130a Absatz 1 Satz 1, § 177a Satz 1 HGB, § 99 Satz 1 GenG, § 42 Absatz 2 BGB) haften und die Zahlungen anfechtbar sein. Auch hier hilft aber das COVInsAG: Danach dürfen im Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, weiterhin getätigt werden, ohne dass der Geschäftsleiter eine Haftung fürchten müsste.
Wann fallen Steuern an?
Ertragsteuerlich hat die beschriebene bilanzielle Behandlung der Gutscheine erfreuliche Konsequenzen. Da der Verkauf der Gutscheine erfolgsneutral ist, macht der Unternehmer mit dem Verkauf zunächst keinen steuerpflichtigen Gewinn. Erst bei Einlösung des Gutscheins wird die entsprechende Verpflichtung aufgelöst und erzielt der Unternehmer seinen üblichen Gewinn.
Umsatzsteuerrechtlich muss man hingegen nach der Art des Gutscheins differenzieren:
- Bei sog. Einzweck-Gutscheinen liegt schon beim Kauf des Gutscheins eine Lieferung bzw. sonstige Leistung vor, die der Umsatzsteuer unterliegt. Die spätere Einlösung des Gutscheins führt hingegen zu keinen weiteren umsatzsteuerlichen Konsequenzen. Ein solcher „Einzweckgutschein“ liegt nicht nur dann vor, wenn der Gutschein zu einer konkreten Leistung berechtigt. Vielmehr reicht es aus, wenn der Ort der Leistungserbringung und die für die mit dem Gutschein bezogenen Leistungen fällige Mehrwertsteuer bereits bei Ausstellung des Gutscheins feststehen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Unternehmer nur über Filialen in Deutschland verfügt und dort nur Waren verkauft, die dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 19% unterliegen, wie z.B. bei einer Modekette. Selbst wenn der Gutschein frei für das gesamte Sortiment eingesetzt werden kann, wird der umsatzsteuerpflichtige Umsatz hier bereits mit Verkauf des Gutscheins ausgeführt.
- Die Ausgabe von sog. Mehrzweck-Gutscheinen führt hingegen noch nicht zu einem Leistungsaustausch. Ein solcher liegt beispielsweise vor, wenn ein Restaurant Gutscheine verkauft, die sowohl für Mahlzeiten im Lokal (Steuersatz von 19%), als zum Mitnehmen (Steuersatz von 7%) eingesetzt werden können. Hier kommt es erst bei tatsächlicher Leistungserbringung im Zeitpunkt der Gutscheineinlösung zur Umsatzbesteuerung.
Je nach Ausgestaltung des Gutscheins und Leistungsangebot des Unternehmers kann also die Umsatzsteuer schon im Zeitpunkt des Gutscheinverkaufs abzuführen sein.