Landgericht Dresden: Keine strafrechtliche Dritteinziehung bei Krypto-Exchange Börsen

Dr. Philipp Gehrmann,
Dr. Arne Klaas
Donnerstag, der 19. August 2021

Der nachfolgende Gastbeitrag von Dr. Philipp Gehrmann und Dr. Arne Klaas beleuchtet die für den Krypto-Handel brisanten Frage, ob Strafverfolgungsbehörden Assets bei einer Kryto-Exchange-Börse beschlagnahmen dürfen.

Die Kollegen Gehrmann und Klaas sind als Strafvertreidiger in der Kanzlei Krause & Kollegen tätig, wir arbeiten regelmäßig mit ihnen bei der Beratung von Finanzmarktteilnehmern zusammen.

 

Das LG Dresden hat am 18. Mai 2021 – Az. 17 Qs 9/21 – beschlossen, dass ein gegen eine Krypto-Exchange Börse verhängter Vermögensarrest rechtswidrig und aufzuheben ist, soweit „ein entgeltliches Geschäft vorliegt, das eine Einziehung der Taterträgen bei anderen als Tätern oder Teilnehmern der Tat ausschließt“. Soweit ersichtlich liegt damit erstmals eine Entscheidung eines deutschen Strafgerichtes vor, dass sich näher mit der strafrechtlichen Sicherung von Vermögenswerten bei Krypto-Exchange Börsen auseinandersetzt.

Dr. Philipp Gehrmann und Dr. Arne Klaas, Strafverteidiger der Kanzlei Krause & Kollegen, ordnen den rechtlichen Hintergrund und die zu erwartenden Auswirkungen auf die Praxis ein.

Krypto-Exchange Börsen im Visier der Strafverfolger

Der Handel mit Bitcoins, Ethereum, Litecoins oder anderen Kryptowerten erfreut sich großer Beliebtheit. Die Schattenseite dieses Booms moderner und freiheitssichernder Zahlungsmethoden ist, dass auch Kriminelle ein Interesse an dem sich rasch entwickelnden und an Finanzkraft gewinnenden Kryptomarkt gefunden haben. Die anonymen Transaktionsmöglichkeiten erleichtern die Sicherung von Tatbeute sowie den Aufbau hierzu dienender Geldwäsche-Strukturen. Auch das oft nur rudimentär vorhandene technische sowie finanzwirtschaftliche Verständnis von interessierten Verbrauchern lädt zu Betrugstaten ein. Die Strafverfolgungsbehörden haben auf diesen Trend schnell reagiert, und versierte „Cybercrime-Units“ sowie eigene „Behördenwallets“ eingerichtet, mit Hilfe derer Kryptowerte sichergestellt und verwahrt werden können.

Trotz dieser behördlichen Aufrüstung im Bereich der Bekämpfung von Cyber-Crime-Taten bleibt es dabei, dass die Abschöpfung von Taterträgen aus Straftaten mit anonymen „track of money“ ein mühsames Geschäft für die Strafverfolgungsbehörden ist. Es überrascht daher nicht, dass gerade Krypto-Exchange-Börsen in das Visier der Behörden geraten. Denn diese bilden die Schnittstelle zur herkömmlichen Finanzwelt. Auf Krypto-Exchange-Börsen können Nutzer herkömmliche Währungseinheiten wie Euro oder US-Dollar („Fiat“) in den tagesaktuellen finanziellen Gegenwert von Kryptowerten umtauschen. Die Tauschplattformen verlangen hierfür eine Gebühr, die regelmäßig über den gestellten Wechselkurs in Abzug gebracht wird. Krypto-Exchange Börsen agieren damit im Wesentlichen wie gewöhnliche „Wechselstuben“. Da sie für die Verwahrung der getauschten Fiat Konten bei klassischen Bankinstituten einrichten (müssen), können die Strafverfolgungsbehörden an diesem Ansatzpunkt auf verlässliche Informationen aus Geldwäscheverdachtsmeldungen oder entsprechenden Auskunftsverlangen zurückgreifen. Somit sind die Krypto-Exchange Börsen, anders als die Inhaber der Kryptos, die im Schutze der Anonymität agieren,  ohne diese Schwierigkeiten für die Staatsanwaltschaften und Polizei mittels der bewährten strafprozessuale Ermittlungs- und Abschöpfungsmaßnahmen erreichbar.

Die weitreichenden Befugnisse der Staatsanwaltschaft bei der (vorläufigen) Vermögensabschöpfung

Staatsanwaltschaften und Strafgerichte können aus Straftaten erlangte Vermögenswerte nach §§ 73 ff. StGB abschöpfen. Eine solche Abschöpfung bzw. Einziehung ist nicht nur bei dem (Mit-)Täter möglich, der unmittelbar aus der Tat oder für die Tat etwas erlangt hat. Jeder Dritte kann Betroffener einer solchen Einziehungsmaßnahme gemäß § 73b Abs. 1 StGB sein, sofern

  • Nr. 1: der Dritte durch die Tat etwas erlangt und der Täter/Teilnehmer für ihn gehandelt hat (bspw. bei einem fremdnützigen Betrug)
  • Nr. 2 lit. a): dem Dritten das Erlangte unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde
  • Nr. 2 lit. b): dem Dritten das Erlangte übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt

Flankiert wird diese Möglichkeit der Einziehung durch Straftaten bemakelter Vermögensgegenstände durch einstweilige Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 111b ff. StPO, wonach bereits zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens Vermögenswerte für eine spätere Abschöpfung durch Beschlagnahme oder Arrest gesichert werden können.

Voraussetzung hierfür ist stets der Verdacht, dass bestimmte Vermögenswerte der Abschöpfung unterliegen. Die hierfür erforderliche Verdachtsschwelle ist allerdings (sehr) niedrig ausgestaltet. Maßgeblich ist der sogenannte „Anfangsverdacht“ i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO. Ausreichend sind danach „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür, dass die Vermögenswerte aus Straftaten stammen. Diese erforderlichen Anhaltspunkte werden in der Praxis nicht selten durch eine schwer zu fassende „kriminalistische Erfahrung“ der beteiligten Strafverfolgungsbehörden begründet.

Die erheblichen praktischen Konsequenzen solcher vorläufigen Sicherungsmaßnahmen liegen auf der Hand: Ausgebrachte Vermögensarreste verhindern dem Betroffenen den Zugriff auf Bankguthaben, die für die Begleichung der laufenden Betriebsausgaben und vor allem im Falle der Krypto-Exchange-Börsen den laufenden Tausch von Kryptos in Fiat benötigt werden. Daher führen solche Maßnahmen häufig zu Liquiditätsengpässen, die den gesamten Geschäftsbetrieb gefährden können.

Der Beschluss des LG Dresden

Das LG Dresden macht in seinem Beschluss in wohltuender Klarheit deutlich, dass die Voraussetzungen der Dritteinziehung bei einem für Krypto-Exchange Börsen klassischen Geschäftsmodell regelmäßig nicht gegeben sind. Einziehungsmaßnahmen sind danach solange nicht möglich, wie den Strafverfolgungsbehörden der Nachweis nicht gelingt, dass diese in die (vermeintlichen) Straftaten ihrer Nutzer eingebunden sind oder hiervon Kenntnis haben mussten. Denn der Einbehalt einer Gebühr durch die Krypto-Exchange Börsen begründet den entgeltlichen Charakter der Wechseldienstleistung. Damit kann die Einziehung nicht auf § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a StGB gestützt werden, weil einem Dritten – hier also der Krypto-Exchange-Börse – das aus der Tat Erlangte gerade nicht „unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde“.

Rechtlich macht es dabei keinen Unterschied, ob entweder Personen in betrügerischer Weise zum Handel mit Kryptowerten veranlasst werden und sich Geschädigte vor dem eigentlichen Investment an Krypto-Exchange-Börsen wenden, um dort Fiat in den Gegenwert einer bestimmten Kryptowährung zu wechseln; oder ob der Täter selbst bereits strafrechtlich bemakelte Fiat oder Kryptos umtauscht.

Denn nach dem LG Dresden muss in beiden Konstellationen eine Abschöpfung des gewechselten Gegenwerts bei einer Krypto-Exchange-Börse ausscheiden, soweit diese sich – wie üblich – die Wechseldienstleistung vergüten lässt. In diesem Fall handelt es sich immer um eine entgeltliche Übertragung der Taterträge i.S.d. § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB.

Ende gut, alles gut? Bleibende Risiken und Ausblick für die Praxis

Dem Beschluss des LG Dresden kommt Signalwirkung zu. Die Aussagen zur Entgeltlichkeit der Wechseldienstleistung sind verallgemeinerungsfähig und beschränken sich nicht auf den entschiedenen Einzelfall. Die Entscheidung bestätigt, dass Strafverfolgungsbehörden eine Einziehung bei Krypto-Exchange-Börsen aufgrund des entgeltlichen Charakters des Währungswechsels nicht auf § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB stützen können.

Dennoch bleiben Risiken: Die niedrigen Anforderungen an den Anfangsverdacht werden auch zukünftig dazu führen, dass die von Kriminellen genutzten Krypto-Exchange-Börsen im Blickfeld der Strafverfolger verbleiben. Es ist leicht auszurechnen, dass Staatsanwaltschaften argumentieren werden, dass die Krypto-Exchange-Börsen erkannt haben oder zumindest aber hätten erkennen müssen, dass die zugewendeten Kryptos oder Fiats aus einer rechtswidrigen Tat herrühren und daher nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) StGB eingezogen werden können. Daher gilt in Ansehung der Entscheidung des LG Dresden für die Zukunft folgendes:

Krypto-Exchange-Börsen können Betroffene einer Arrest- oder Einziehungsmaßnahme von Strafverfolgungsbehörden sein. Sie sind diesem Risiko jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Im Gegenteil: eine funktionierende AML- und Geschäftspartner-Compliance sind wichtige Bausteine, um solchen Maßnahmen und dem damit verbundenen Verdacht der Verstrickung in Straftaten Dritter zügig und konsequent entgegenzutreten.

Beschlagnahme- oder Arrestbeschlüsse, die sich nicht auf belastbare Indizien für eine Beteiligung der Verantwortlichen einer Krypto-Exchange-Börse an mutmaßlichen Straftaten ihres Geschäftspartners bzw. für eine tatsächliche Kenntnis bzw. einer leichtfertigen Unkenntnis hiervon stützen können, dürften in aller Regel rechtswidrig sein. Die Entscheidung des LG Dresden ist daher für die zukünftige Argumentation in diesem Geschäftsbereich von erheblicher Bedeutung.

 

Dr. Philipp Gehrmann

Dr. Philipp Gehrmann

Zum Website
Dr. Arne Klaas

Dr. Arne Klaas

Zum Website
Neuigkeiten