ESMA reagiert auf Verzug der Kommission bei Klima-Benchmarks

Die ESMA hat am 29. April 2020 zwei Stellungnahmen erlassen und reagiert damit auf die noch nicht erfolgte Level-2-Konkretisierung der Anforderungen für Klima-Benchmarks durch die Kommission.
Dr. Liesa Plappert,
Dr. Nils Christian Ipsen
Mittwoch, der 13. Mai 2020

Hintergrund

Im Rahmen ihrer regulatorischen Initiative für ein nachhaltiges Finanzwesen verfolgt die Kommission ehrgeizige Ziele. Insbesondere wurden Ende letzten Jahres eine EU-weite Klassifizierung (Taxonomie), Offenlegungspflichten sowie einheitlichen Standards für Nachhaltigkeits-Benchmarks auf den Weg gebracht.  Der dadurch abgesteckte Rechtsrahmen muss in weiten Teilen noch durch Level-2-Maßnahmen der Kommission ergänzt und konkretisiert werden.

Insbesondere hinsichtlich der neuen Anforderungen für Klima-Benchmarks haben die ambitionierten Fristen der Klima-Benchmark-VO (zur Änderung der Benchmark-VO) nunmehr zu der Situation geführt, dass einige Anforderungen bereits von den Finanzmarktakteuren umzusetzen sind, ohne dass eine entsprechende Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte der Kommission erfolgt ist. Auf die drohende Rechtsunsicherheit hat die ESMA am 29. April 2020 mit zwei Stellungnahmen reagiert.

Neue Pflichten für Benchmark-Administratoren

Die Klima-Benchmark-VO führt im Wesentlichen Mindeststandards für zwei unterschiedliche Klima-Benchmarks ein (EU-Referenzwerte für den klimabedingten Wandel, sog. EU Climate Transition Benchmarks und Paris-abgestimmte EU-Referenzwerte, sog. EU Paris-aligned Benchmarks). Außerdem werden Offenlegungspflichten geregelt, welche die Transparenz verbessern und eine Vergleichbarkeit ermöglichen sollen. Zu diesem Zweck müssen Referenzwert-Administratoren für Referenzwerte und Referenzwertfamilien grundsätzlich offenlegen, ob und inwieweit ihre jeweilige Methode den ESG-Faktoren Rechnung trägt. Die Pflicht ist nach Art. 13 Abs. 1 lit. d Benchmark-VO n.F. zum 30. April 2020 zu erfüllen.

Ebenfalls ab dem 30. April 2020 müssen die Referenzwert-Administratoren im Rahmen einer nach der Benchmark-VO abzugebenden Referenzwert-Erklärung erläutern, wie den ESG-Faktoren in allen bereitgestellten und veröffentlichten Referenzwerten oder Referenzwert-Familien Rechnung getragen wird. Bei Referenzwerten oder Referenzwert-Familien, mit denen keine ESG-Ziele verfolgt werden, ist es ausreichend, dass die Referenzwert-Administratoren in der Referenzwert-Erklärung eindeutig angeben, dass sie keine solchen Ziele verfolgen (vgl. Art. 27 Abs. 2 a Benchmark-VO n.F.).

Fehlende Level-2-Konkretisierung

Für beide Anforderungen ist eine Konkretisierung auf Level-2-Ebene vorgesehen (vgl. Art. 13 Abs. 2a BenchmarkVO n.F. und Art. 27 Abs. 2b jeweils i.V.m. Art. 49 BenchmarkVO n.F.). Insbesondere soll durch delegierte Rechtsakte der Mindestinhalt der Erklärung sowie das zu verwendende Standardformat festgelegt werden. Dadurch soll einerseits gewährleistet werden, dass Marktteilnehmer fundierte Entscheidungen treffen können, und andererseits, dass die technische Durchführbarkeit der Compliance mit diesen Anforderungen sichergestellt ist.

Bisher liegen lediglich Entwürfe für entsprechende delegierte Rechtsakte vor und es ist noch nicht abzusehen, wann diese in Kraft treten. Zunächst endete am 6. Mai 2020 der Zeitraum für Rückmeldungen im Rahmen der Konsultation. Nach Erlass der delegierten Rechtsakte durch die Kommission besteht weiterhin ein Prüfungsrecht des Europäischen Parlaments und des Rates, was ein Inkrafttreten noch verzögern kann (vgl. 49 Abs. 6 BenchmarkVO n.F.).

ESMA reagiert auf Rechtsunsicherheit mit Stellungnahmen an Kommission und NCAs

Mit Blick auf die bereits geltenden Transparenz- und Erklärungspflichten für Referenzwert-Administratoren führt die bisher fehlende Konkretisierung zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Die ESMA hat darauf am 29. April 2020 mit Stellungnahmen an die Kommission sowie die nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden („NCAs“) reagiert. Da hinsichtlich der einzuhaltenden Anforderungen bisher keine Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte der Kommission erfolgt sei, bestehen nach Auffassung der ESMA berechtigte Zweifel hinsichtlich der Rechtsfolgen der Art. 13 Abs. 1 lit. d und 27 Abs. 2a BenchmarkVO n.F. sowie deren ordnungsgemäßer Anwendung. Dies führe insbesondere auch zu Schwierigkeiten bei der Überwachung und Durchsetzung entsprechender Anforderungen durch die Aufsichtsbehörden. In ihrer Stellungnahme an die Kommission (Opinion) hat ESMA deshalb einen möglichst baldigen Erlass der delegierten Rechtsakte angemahnt. In ihrer Stellungnahme an die nationalen zuständigen Behörden (No Action Letter) äußert ESMA die Auffassung, dass eine Überwachung und Durchsetzung der Pflichten aus Art. 13 Abs. 1 lit. d und 27 Abs. 2a BenchmarkVO n.F. bis zum Erlass entsprechender delegierter Rechtsakte nicht prioritär erfolgen solle.

Fazit

Die Situation der Geltung von Verpflichtungen der Klima-Benchmark-VO vor Inkrafttreten entsprechender Konkretisierungen durch delegierte Rechtsakte ist sowohl für die betroffenen Administratoren als auch für die zur Überwachung und Durchsetzung zuständigen Aufsichtsbehörden misslich. Ein solches Szenario hätte vermieden werden können, indem das Inkrafttreten der entsprechenden Verpflichtung vom Inkrafttreten der delegierten Rechtsakte abhängig gemacht worden wäre. Mit Blick auf die drohende Rechtsunsicherheit und die Gefahr einer unterschiedlichen Handhabung der Regelungen durch die NCAs ist die Stellungnahme der ESMA zu begrüßen, da sie zumindest ein abgestimmtes Verhalten der NCAs fördert. Es bleibt zu hoffen, dass hier die Aufsichtsbehörden weiter mit dem notwendigen Augenmaß reagieren.

 

 

Dr. Liesa Plappert

Dr. Liesa Plappert

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