Der Regierungsentwurf zum eWpG – eine digitale (R)Evolution im Wertpapierrecht?

Der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) ermöglicht neben elektronischen Inhaberschuldverschreibungen nun auch digitale Fondsanteile.
Caroline Göllner
Freitag, der 29. Januar 2021

Status Quo – Das Erfordernis einer physischen Urkunde

Für das Vorliegen eines Wertpapiers im zivilrechtlichen Sinne ist noch heute in Deutschland eine physische Papierurkunde erforderlich. Das (nationale und europäische) Aufsichtsrecht kennt dieses Urkundserfordernis nicht. So definiert § 2 Abs. 1 WpHG in Umsetzung der MiFID II Wertpapiere explizit als „alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren [], die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind“, „auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind“. Auch die EU-Prospektverordnung nimmt für die Wertpapier-Definition auf den Begriff der MiFID II Bezug.

In anderen Jurisdiktionen ist die Entmaterialisierung der Wertpapiertransaktionen bereits weit fortgeschritten: Während in Frankreich Wertpapiere bereits seit 1984 komplett entmaterialisiert sind, werden diese seit 1996 im Vereinigten Königreich in einer elektronischen Datenbank (CREST) gespeichert. Die Schweiz hat elektronische „Bucheffekten“ im Jahr 2009 zugelassen, am 1. Februar 2021 treten nun die im Rahmen der DLT-Vorlage beschlossenen Änderungen im Obligationenrecht, im Bucheffektengesetz und im Bundesgesetz über das internationale Privatrecht in Kraft. Diese Bestimmungen ermöglichen die Einführung von Wertrechten, die auf einer Blockchain abgebildet sind.

Das deutsche Aktienrecht, auf das im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) für Anteilsscheine an Sondervermögen Bezug genommen wird, sieht noch immer nach h.M. vor, dass der Anspruch der Aktionäre/Anteilsinhaber auf Globalverbriefung, d.h. Verbriefung aller Aktien einer Gattung nicht ausgeschlossen werden kann. Dies schließt rein digitale (z.B. Blockchain basierte) Eigenkapitalbeteiligung grundsätzlich aus. Dies wird sich zwar auch in naher Zukunft nicht sofort ändern, mit dem Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) ist aber ein erster wichtiger Schritt der Digitalisierung im deutschen Wertpapierrecht vollzogen.

Von zaghaften Schritten im Referentenentwurf…

Bereits im März 2019 hatten das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ein gemeinsames Eckpunktepapier für die regulatorische Behandlung von elektronischen Wertpapieren und Krypto-Token unter dem Motto „Digitale Innovationen ermöglichen – Anlegerschutz gewährleisten“ als Teil der Blockchain-Strategie der Bundesregierung veröffentlicht. Daraufhin folgte ein gemeinsamer Referentenentwurf zum eWpG von BMF und BMJV am 11. August 2020.

Dieser sah die Abschaffung der zwingenden urkundlichen Verkörperung von Wertpapieren vor, allerdings zunächst jedoch nur auf Inhaberschuldverschreibungen bezogen, da dort das praktische Bedürfnis des Finanzmarktes am größten sei. Elektronische Aktien, Fondsanteile oder andere Vermögenswerte waren vom Referentenentwurf nicht erfasst, eine dahingehende Regulierung sollte – so im Referentenentwurf explizit – zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen.

Die Urkunde wird beim elektronischen Wertpapier zukünftig durch die Eintragung in ein elektronisches Wertpapierregister ersetzt. Das elektronische Wertpapier entfaltet dieselbe Rechtswirkung wie ein Wertpapier, das mittels Urkunde begeben worden ist. Je nachdem, ob die Eintragung in ein zentrales Register oder ein Kryptowertpapierregister vorgenommen wird, handelt es sich um ein Zentralregisterwertpapier oder ein Kryptowertpapier. Um die Anwendbarkeit des Sachenrechts weiterhin zu gewährleisten, gilt das elektronische Wertpapier als Sache. Da elektronische Wertpapiere keine körperlichen Gegenstände und damit keine Sache im herkömmlichen Sinne sein können (§ 90 BGB), bedurfte es dieser Fiktionswirkung.

… zu einer Beschleunigung im Regierungsentwurf

Nun hat das Bundeskabinett am 16. Dezember 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG) beschlossen, der sich jedoch in einigen Punkten von dem im August intensiv diskutierten Entwurf unterscheidet. Neben einigen redaktionellen Änderungen gab es Anpassungen hinsichtlich des Begriffs des elektronischen Wertpapiers sowie der Registerführung durch Zentralverwahrer. Eine der größten Neuerungen besteht aber in der Öffnung des Anwendungsbereichs für Anteilsscheine an Sondervermögen (§ 95 KAGB) und somit die Möglichkeit der Begebung elektronischer „Fondsanteile“ bei Sondervermögen.

§ 95 KAGB soll dahingehend geändert werden, dass auch Anteile an Sondervermögen als elektronische Anteilscheine begeben werden können. Auch hier soll die Urkunde durch eine Eintragung in einem zentralen Register ersetzt werden können. Möglich sind nur auf den Inhaber lautende elektronische Anteilsscheine, die an die Stelle der elektronischen Wertpapiere treten.

In § 95 Abs. 3 KAGB-E ist die entsprechende Geltung einzelner Vorschriften des eWpG vorgesehen. Insbesondere nicht verwiesen wird auf die Vorschriften betreffend Kryptowertpapiere, d.h. elektronische Wertpapiere, die in ein Kryptowertpapierregister eingetragen sind (§ 4 Abs. 3 eWpG-E). Elektronische auf den Inhaber lautende Anteilsscheine müssen daher zwingend in ein zentrales Register eingetragen werden. Das zentrale Register kann nur von einer Wertpapiersammelbank oder – das ist eine Ergänzung im Regierungsentwurf – einem Verwahrer, der über eine Erlaubnis für das Depotgeschäft verfügt, geführt werden. Die Systematik ähnelt § 10 Abs. 1 S. 2 AktG. Danach können Aktien bei nicht börsennotierten Gesellschaften nur dann auf den Inhaber lauten, wenn der Anspruch auf Einzelverbriefung ausgeschlossen ist und die Sammelurkunde bei einer Wertpapiersammelbank oder einem zugelassenen Zentralverwahrer hinterlegt wird. Hinsichtlich der Führung eines Kryptowertpapierregisters bestehen größere Freiheiten, d.h. ein solches Register kann von jedem geführt werden, der von dem Emittenten beauftragt wurde (auch von dem Emittenten selbst), auch wenn hierfür zukünftig eine entsprechende aufsichtsrechtliche Erlaubnis erforderlich ist. Die Anforderungen an das Unternehmen, das ein Kryptowertpapierregister führt, sind jedoch geringer als die an eine Wertpapiersammelbank oder eine Depotbank. Die Zulassung elektronischer Anteilsscheine in Form von Kryptowertpapieren ging dem Gesetzgeber daher offenbar zu weit.

Fazit: Wichtige Neuerungen mit Entwicklungspotential

Der Regierungsentwurf hat mit der Öffnung der Möglichkeit zur elektronischen Begebung von Anteilscheinen einen zentralen Kritikpunkt umgesetzt. Dies entspricht den Marktbedürfnissen und war, wie sich gezeigt hat, auch ohne größeren Aufwand möglich. Perspektivisch wäre es gleichwohl wünschenswert, wenn auch für elektronische Anteilsscheine an Sondervermögen zukünftig eine Wahlmöglichkeit zwischen Zentralregisterwertpapieren und Kryptowertpapieren bestünde. Schließlich ist auch der Kryptowertpapierregisterführer zukünftig reguliert und untersteht der Aufsicht der BaFin, weshalb auch unter Anlegerschutzgesichtspunkten eine Erweiterung möglich ist.

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