EZB veröffentlicht finalen Leitfaden zum Umgang mit Klima- und Umweltrisiken
Die EZB hatte bereits im Frühjahr ihren Leitfaden zur Einbeziehung von Klima- und Umweltrisiken in Risikomanagement und Offenlegungen zur Konsultation gestellt. Im November hat die EZB nunmehr die endgültige Fassung des Leitfadens sowie einen Bericht zur Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken veröffentlicht.
Adressaten des Leitfadens
Der im Wesentlichen in Formulierungen präzisierte bzw. nachgeschliffene Leitfaden bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die umfassende und konsequente Einbeziehung von Klima- und Umweltrisiken in sämtliche Bankprozesse der EZB ein ernstes Anliegen ist. Der Leitfaden bleibt zwar – formal betrachtet – für die Institute nicht bindend. Die EZB hält jedoch an ihrer Erwartung fest, dass bedeutende Institute den Leitfaden anwenden sollen. Damit dies geschieht, wird die EZB ihre Erwartungen ab 2021 als Basis für den aufsichtlichen Dialog zugrunde legen. Die Institute werden künftig jedwede Abweichung von den im Leitfaden beschriebenen Erwartungen ihren Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams JST’s) zu berichten haben.
Unverändert empfiehlt die EZB auch den nationalen Aufsichtsbehörden (NCAs), die im Leitfaden formulierten Erwartungen unter Wahrung des Proportionalitätsprinzips auch in deren Aufsichtspraxis einzubeziehen. Es ist daher damit zu rechnen, dass auch weniger bedeutende Institute – über kurz oder lang – die von der EZB formulierten Erwartungen werden berücksichtigen müssen.
Im Ergebnis hat die EZB an ihren bereits im Entwurf vorgelegten 13 Erwartungen festgehalten und diese lediglich vereinzelt sprachlich überarbeitet und an einigen Stellen ergänzt. Insbesondere folgende Erwartungen an Institute wurden konkretisiert:
Auswirkungen von Klima- und Umweltrisiken auf Geschäftsumfeld verstehen
Institute werden dazu angehalten, bei der Analyse ihres Geschäftsumfelds Klima- und Umweltrisiken und deren Auswirkungen zu identifizieren und zu verstehen. Über die Vorgaben der Konsultationsfassung hinausgehend erwartet die EZB, dass die Institute bei der Ermittlung dieser Auswirkungen auf ihr Geschäftsumfeld granulare Ansätze verfolgen. Explizit sollen dabei auch Effekte auf die Lieferkette oder konkrete Daten zur geografischen Lage einbezogen werden (Erwartung 1.1).
Klima- und Umweltziele bei der Entwicklung der Geschäftsstrategie berücksichtigen und überwachen
Entsprechend der EBA-Leitlinien zur internen Governance (EBA/GL/2017/11) nimmt das Leitungsorgan bei der Entwicklung und Überwachung der Geschäftsstrategie eine zentrale Rolle ein. Über diese Zuständigkeit des Leitungsorgans hinaus soll das Leitungsorgan nun auch Rollen und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Klima- und Umweltrisiken innerhalb der Organisationsstruktur und entsprechend dem Risikoprofil des Instituts ausdrücklich zuweisen (Erwartung 3.1).
Darüber erwartet die EZB, dass das Leitungsorgan nunmehr auch die Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung seiner Mitglieder im Bereich Klima- und Umweltrisiken bei der Bewertung von deren kollektiver Eignung berücksichtigt. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, ist es nach Ansicht der EZB erforderlich, dass das Leitungsorgan selbst über ein angemessenes Verständnis von Klima- und Umweltrisiken verfügt, um seinerseits die kollektive Eignung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrung bewerten zu können, die für eine solide und effektive Steuerung und Offenlegung der Klima- und Umweltrisiken benötigt werden (Erwartung 3.2).
Klima- und Umweltrisiken in Rahmenwerke für Governance und Risikoappetit aufnehmen
Die EZB erwartet, dass das Rahmenwerk für den Risikoappetit auch die wesentlichen Klima- und Umweltrisiken berücksichtigt, die im Einklang mit dem in der Geschäftsstrategie festgelegten Planungshorizont stehen und regelmäßig überprüft werden. In der endgültigen Fassung des Leitfadens präzisiert die EZB ihre Erwartungen dahingehend, dass Institute künftig im Rahmen des Risikoinventars auch Klima- und Umweltrisiken sorgfältig zu beschreiben und innerhalb der Kategorisierungen der Risikoarten und -faktoren klar zu definieren haben, damit dies in die Erklärung der Institute zum Risikoappetit einfließen kann.
Klima- und Umweltrisiken in das bestehende Rahmenwerk für das Risikomanagement integrieren
In der Konsultationsfassung hatte die EZB die Erwartung formuliert, dass Institute ein umfassendes Verständnis von Klima- und Umweltrisiken auf bestehende Risikokategorien besitzen und diese dokumentieren sollen. In Ergänzung hierzu haben Institute Klima- und Umweltrisiken nunmehr auch bei der Beurteilung der Wesentlichkeit von Risiken auf die Geschäftsbereiche einzubeziehen. Bei der entsprechenden Analyse sollen mehrere Szenarien herangezogen werden. Außerdem sollen die Anfälligkeiten der wirtschaftlichen (Teil-)Sektoren, des Betriebs und der Standorte des Instituts und seiner Geschäftspartner berücksichtigt werden.
Informationen und zentrale Kennzahlen zu wesentlichen Klima- und Umweltrisiken offenlegen
Soweit die EZB bereits in der Konsultationsfassung einige Erwartungen zur Offenlegung von Informationen und Kennzahlen von wesentlichen Klima- und Umweltrisiken formuliert hatte, hält sie an diesen weiterhin fest. Klar gestellt wird mit der Endfassung, dass für die geforderten Angaben zu den finanzierten Scope-3-Treibhausgasemmissionen weder die Verwendung einer bestimmten Messmethode noch einer bestimmten Zurechnungsmethode vorgeschrieben wird. Allerdings empfiehlt die EZB, bei der Messung der CO2-Emmissionen einen granularen Ansatz zu verfolgen (beispielsweise durch eine projektweise Betrachtung: Messung des tatsächlichen Energieverbrauchs oder der Energieeffizienzklassifizierung von Immobilienportfolios nach einzelnen Gebäuden).
EZB sieht Nachholbedarf beim Reporting
Neben der endgültigen Fassung des Leitfadens hat die EZB außerdem einen Bericht zur Offenlegung von Klima- und Umweltrisiken durch Institute veröffentlicht. Hierin kommt die EZB zu dem Ergebnis, dass bislang praktisch keines der bewerteten Institute das Mindestmaß der Offenlegungsanforderung des Leitfadens ebenso wie der Leitlinien für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen der europäischen Kommission erfüllt. Wenngleich die EZB in den vergangenen zwei Jahren einen positiven Trend bei der klimabezogenen Offenlegung festgestellt hat, bedürfe es noch einiger Verbesserungen. Insbesondere sollten Aussagen zu klimabezogenen Themen mit entsprechenden quantitativen und qualitativen Informationen und Daten unterlegt werden.
Was erwartet die Institute 2021 und 2022?
Die EZB plant, die Institute Anfang 2021 zur Durchführung einer Selbsteinschätzung anhand der aufsichtlichen Erwartungen des Leitfadens aufzufordern. Daran anschließend sollen die Institute auf Grundlage des Ergebnisses Maßnahmenpläne entwickeln. Diese werden von der EZB beurteilt und im Rahmen des aufsichtlichen Dialogs erörtert. Für 2022 stellt die EZB eingehende Überprüfungen der Verfahren in Aussicht (sowie gegebenenfalls konkrete Folgemaßnahmen).
Die Erwartungen des Leitfadens zeigen deutlich, dass die europäischen Aufsichtsbehörden auch beim Thema nachhaltiges Risikomanagement und Offenlegung das Tempo erhöhen. Neben dem Leitfaden gibt auch das am 3. November 2020 veröffentlichte Diskussionspapier der EBA den Instituten detaillierte Guidance, wohin die Reise geht. Klar wird auch, dass Institute bereits jetzt tätig werden sollten und das drängende Themen Klima- und Umweltrisiken nicht bis zum Erlass der entsprechender Rechtsakte durch den europäischen Gesetzgeber aufschieben können.