Ein Quentchen „Transition Finance“ – EU Green Bond Standard auf der Zielgeraden

Die seit langem erwartete Einigungsfassung der EU-Verordnung über europäische grüne Anleihen liegt seit dem 10. Mai 2023 vor.
Dr. Nina Scherber,
Dr. Lars Röh
Wednesday May 31st, 2023

Weiterer Meilenstein des EU-Aktionsplan erreicht

Im Juli 2021 hatte die EU-Kommission den Entwurf einer Verordnung über Europäische grüne Anleihen („Kommissionsentwurf“) als wichtigen Baustein ihres Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlicht (vgl. Blog_lindenpartners). Dieser als freiwilliger „Goldstandard“ konzeptionierte Verordnungsvorschlag wurde seit Juli 2022 im Trilog zwischen Rat, EP und EU-Kommission verhandelt und soll die Finanzierung klima- und umweltfreundlicher Investitionen erleichtern. Zu der am 28. Februar 2023 im Trilogverfahren erzielten vorläufigen Einigung hat das EP am 10. Mai 2023 die Einigungsfassung veröffentlicht. Die Einigung muss noch vom EP und Rat bestätigt und angenommen werden. Sie wird 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten anwendbar sein.

Taxonomie-Anpassungsplan wird zu CapEx-Plan

Der Kommissionsvorschlag hat im Trilogverfahren zahlreiche Konkretisierungen, aber auch inhaltliche Änderungen erfahren. So wurden u.a. die Vorgaben für die Erlösverwendung präzisiert und eine Verbindung zur Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 („DelVO 2021/2178“) über die Berichtsanforderungen nach Art. 8 TaxonomieVO hergestellt:

An die Stelle des in Art. 6 Kommissionsvorschlag geregelten Taxonomie-Anpassungsplans (taxonomy-alignment plan) ist nunmehr der sog. CapEx-Plan i.S.v. Ziff.1.1.2.2 lit. b und 1.1.3.2 lit. b des Anhang I zur DelVO 2021/2178 getreten. Ein CapEx-Plan ist von der Emittentin eines EuGB (European Green Bonds) zu veröffentlichen, wenn die Anleihe-Erlöse zur Finanzierung von Investitions- und Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Wirtschaftstätigkeiten verwendet werden, die nicht bereits im Emissionszeitpunkt taxonomiekonform sind, sondern dieses Ziel erst innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Emission der betreffenden Anleihe erreichen sollen. Mit der Bezugnahme auf den CapEx Plan nach der DelVO 2021/2178 ist die Vorgabe eines zeitlichen Rahmens in Art. 6 Abs. 1 UA 3 des Kommissionsvorschlages obsolet geworden. Danach war vorgesehen, dass Investitionsausgaben, die zur Ausweitung von taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten oder zur Umwandlung taxonomiefähiger in taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeiten innerhalb von fünf Jahren anfallen, bei Ermittlung der Taxonomiekonformität der Investitionsausgaben eines Unternehmens berücksichtigt werden können. In der Sache ändert sich hierdurch jedoch nichts. Denn entsprechende zeitliche Vorgaben für den Umwandlungsprozess von taxonomiefähiger in taxonomiekonforme Wirtschaftstätigkeit sind in der DelVO 2021/2178 festgelegt.

Somit hält auch die Einigungsfassung daran fest, dass die Wirtschaftstätigkeit, auf die sich die mit dem EuGB finanzierten Investitionsausgaben beziehen, grundsätzlich innerhalb von fünf Jahren ab Emission der Anleihe taxonomiekonform werden muss. Ein längerer Zeitraum von bis zu zehn Jahren kann lediglich in Einzelfällen aufgrund der Besonderheiten der betreffenden Wirtschaftstätigkeiten und Investitionen gerechtfertigt sein. Sofern der Emittent einen Prospekt nach der ProspektVO (Verordnung (EU) 2017/ 1129) veröffentlicht, muss der Prospekt eine Zusammenfassung des CapEx-Plans enthalten.

Mehr Flexibilität bei der Erlösverwendung

Gewisse Erleichterungen bringt die Einigungsfassung für die Verwendung des mit einer grünen Anleihen erzielten Emissionserlöses. Der neu eingefügte Art. 4a sieht hierfür eine Flexibilitätskomponente vor.

Demnach sind zwar im Grundsatz alle Erlöse aus EuGBs in Wirtschaftstätigkeiten zu investieren, die taxonomiekonform sind, sofern die betreffenden Sektoren bereits von der Taxonomie abgedeckt sind (vgl. Art. 4). Abweichend hierzu dürfen Emittenten jedoch künftig unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 15% der Erlöse in Wirtschaftstätigkeiten, für die noch keine technischen Bewertungskriterien vorliegen, sowie in eng definierte spezifische Wirtschaftstätigkeiten investieren. Zu diesen spezifischen Wirtschaftstätigkeiten zählen z.B. bestimmte Tätigkeiten der Entwicklungshilfe unter dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC)).

Soll die Flexibilitätskomponente in Bezug auf Wirtschaftstätigkeiten ohne technische Bewertungskriterien zum Einsatz kommen, sind für diese dennoch der wesentliche Beitrag zu einem Umweltziel sowie die Einhaltung des Do No Significant Harm (DNSH)-Prinzips nach den allgemeinen Vorgaben in den Anlagen A-D des Anhang I der DelVO 2021/2139 sowie des Mindestschutzes nachzuweisen. 

Detaillierte Bestandsschutzregelung (Grandfathering)

Auch die Regelungen zum Grandfathering bei Änderung der technischen Bewertungskriterien während der Laufzeit der Anleihe sind – nach intensiven Diskussionen im Trilog – erheblich geändert worden. Im Grundsatz gilt nunmehr, dass bei der Erlöszuordnung die im Emissionszeitpunkt der grünen Anleihe geltenden technischen Bewertungskriterien anzuwenden sind. Werden die einschlägigen technischen Bewertungskriterien während der Laufzeit der Anleihe geändert, ist sicherzustellen, dass nicht zugewiesene Erlöse und solche Erlöse, die durch einen CapEx-Plan abgedeckt sind (d.h. die noch nicht die Taxonomiekriterien erfüllen), innerhalb von sieben Jahren nach Inkrafttreten der Änderungen die geänderten technischen Prüfkriterien erfüllen. Wird für die Emittentin erkennbar, dass die geänderten technischen Prüfkriterien innerhalb von sieben Jahren nicht erfüllt werden können, ist ein Plan zu veröffentlichen, der darlegt, wie die Wirtschaftstätigkeit bestmöglich an die geänderten technischen Prüfkriterien angepasst und die negativen Folgen – so weit wie möglich – abgemildert werden. Dieser Plan sollte vor Ablauf des Grandfathering-Zeitraums veröffentlicht und von einem externen Gutachter überprüft werden.

Auch Verbriefungen können als EuGB bezeichnet werden

Gänzlich neu eingefügt wurden in die Einigungsfassung Bedingungen, unter denen Verbriefungen als EuGB bezeichnet werden dürfen (das Kapitel II a). Insoweit sah zwar bereits der Kommissionsvorschlag vor, dass der Standard auch auf Verbriefungen, die von einem SPV ausgegeben werden, angewendet werden kann (vgl. Explanatory Memorandum, S. 2 f.). Die spezifischen Vorgaben sind aber erstmals im Rahmen des Trilogverfahrens ausformuliert worden. Danach sind die Erlösverwendungsvorgaben des EuGB-Standards grundsätzlich auf der Ebene des Originators anwendbar (üblicherweise eine Bank, die Kredit(e) bzw. -portfolien an ein SPV veräußert). Spezifische Transparenzvorgaben und Ausschlüsse sollen dabei das Anlegervertrauen stärken. So sind Risikopositionen, die den Abbau, die Gewinnung, Herstellung, Verarbeitung, Lagerung sowie die Raffinerie oder den Vertrieb fossiler Brennstoffe im Sinne der Verordnung (EU) 2018/1999 finanzieren, von einer Verbriefung unter dem EuGB ausgeschlossen. Ferner ist in den Prospekt u.a. die Erklärung aufzunehmen, dass es sich bei der Anleihe um eine Verbriefungsanleihe handelt und der Originator für die ordnungsgemäße Erlösverwendung verantwortlich ist. Für synthetische Verbriefungen kann die Bezeichnung EuGB hingegen nicht verwendet werden.

EuGB als Instrument der Übergangsfinanzierung?

Die lang erwarteten Regelungen über einen freiwilligen Standard für europäische grüne Anleihen wurden im Aktionsplan der EU aus 2018 als ein maßgebliches Instrument für die Umlenkung privater Kapitalströme in nachhaltige Investitionen angekündigt. Ob sie diese Erwartungen erfüllen und zu dem erforderlichen Wachstum von grünen Anleihen auf dem europäischen Anleihemarkt führen, werden die nächsten Jahre zeigen. Trotz Flexibilitätskomponente bleiben die Vorgaben aufgrund der strikten Ausrichtung der Erlösverwendung auf die Taxonomie anspruchsvoll. Angesichts der augenblicklich auf europäischer Ebene stagnierenden Plänen zur Erweiterung der Taxonomie (Ampeltaxonomie), durch die eine Finanzierung des Transformationsprozesses in der Realwirtschaft stärker adressiert werden soll, könnte es für Emittentinnen interessant sein, den EuGB-Standard über die Regelungen zum CapEx-Plan in Art. 6 als Instrument der Übergangsfinanzierung einzusetzen: So ließen sich Investitionsausgaben über einen EuGB finanzieren, die im Zusammenhang mit taxonomiefähigen Wirtschaftstätigkeiten stehen, die aber die strengen technischen Bewertungskriterien derzeit noch nicht, sondern erst aber innerhalb des CapEx-Zeitraums von fünf Jahren erfüllen.

Damit enthält die politische Einigung zum EuGB-Standards zumindest ein paar Tropfen der „Transition Finance“, die seitens der Finanz- und Realwirtschaft derzeit so vehement gefordert wird.

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