EBA legt bei Moratorien nach

Dr. Nils Christian Ipsen,
Dr. Nina Scherber
Monday April 6th, 2020

Die EBA hatte ihre Äußerungen zu den aufsichtsrechtlichen Auswirkungen der Coronakrise jetzt auch teilweise in Leitlinien geregelt. Diese EBA-Leitlinien akzeptieren mit Blick auf die Risikoklassifizierung von Krediten nicht nur gesetzliche Moratorien, wie sie in Deutschland in Art. 240 EGBGB normiert wurden. Auch nicht-gesetzliche Moratorien können berücksichtigt werden. Die EBA gibt damit den Kreditinstituten und ihren Verbänden Spielräume, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Epidemie abzumildern.

EBA erlässt Leitlinie zur Auswirkung von Moratorien

Zahlreiche Staaten haben zur Unterstützung der Realwirtschaft während der Corona-Krise sog. Moratorien gesetzlich geregelt. In Deutschland sieht Art. 240 EGBGB seit wenigen Tagen besondere Stundungs-, Kündigungsschutz- und Vertragsanpassungsregelungen für Darlehensverträge mit Verbrauchern vor, die infolge der Corona-Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen (vorübergehend) nicht erbringen können. Die EBA, und ihr folgend die BaFin, hatten bereits frühzeitig Hinweise gegeben, welche aufsichtsrechtlichen Folgen es für Banken hat, wenn Kredite aufgrund dieser Moratorien (vorübergehend) nicht mehr bedient werden.

Diese Hinweise hat die EBA nunmehr in Leitlinien überführt und dabei eine Definition der Moratorien vorgenommen, nach der die aufsichtsrechtlichen Erleichterungen auch für bestimmte nicht-gesetzliche Moratorien gelten können. Bisher liegt nur der Entwurf der Leitlinien vor. Sie sind anwendbar, sobald sie in alle Amtssprachen übersetzt sind, womit in den nächsten Tagen zu rechnen ist. Die BaFin und Kreditinstitute sind gemäß Art. 16 EBA-Verordnung gehalten, den Leitlinien soweit wie möglich Folge zu leisten.

In den Leitlinien wird geregelt, (i) welche Anforderungen ein Moratorium erfüllen muss, damit die aufsichtsrechtlichen Erleichterungen greifen, (ii) welche Bedeutung ein Moratorium für Stundungen hat, (iii) welche Bedeutung ein Moratorium für die Bewertung der Ausfallswahrscheinlichkeit hat und (iv) welche Informationspflichten Kreditinstitute bei nicht-gesetzlichen Moratorien treffen.

Nicht-gesetzlichen Moratorien können Anforderungen erfüllen

Die EBA-Leitlinien definieren zunächst, für welche Arten von Moratorien aufsichtsrechtliche Erleichterungen gelten können:

  • Neben gesetzlich geregelten Moratorien können auch nicht-gesetzliche Moratorien berücksichtigt werden. Diese nicht-gesetzlichen Moratorien müssen auf einer branchen- oder sektorweiten Initiative (z.B. von den Spitzenverbände) beruhen, die von den einschlägigen Kreditinstituten vereinbart und weitgehend angewandt wird. Die Anwendung des nicht-gesetzlichen Moratoriums kann auch in Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren erfolgen.
  • Das Moratorium muss auf eine große, näher bestimmte Gruppe von Schuldnern unabhängig von deren Kreditwürdigkeit anwendbar sein. Die Auswahlkriterien müssen weit sein. In Betracht kommen u.a. Kriterien, die nach den Schuldnern (z.B. private Individuen, KMUs etc.) oder nach speziellen Produkten (z.B. Hypothekendarlehen) unterscheiden. Es kann jedoch nicht auf Schuldner beschränkt sein, die bereits vor der Coronakrise in finanziellen Schwierigkeiten waren, da dann der Zusammenhang mit der Coronakrise fehlt.
  • Das Moratorium sieht nur Änderungen des Zahlungsplans vor, nämlich durch Aussetzung, Aufschub oder Reduzierung der Zahlungen von Kapitalbeträgen, Zinsen oder vollen Ratenzahlungen für einen begrenzten Zeitraum. Andere Bedingungen der Darlehen, wie z.B. der Zinssatz, sollten nicht geändert werden.
  • Das jeweilige Moratorium bietet allen Betroffenen dieselben Bedingungen für eine Änderung des Zahlungsplans an, auch wenn das Moratorium nicht verpflichtend für die Schuldner ist. Es können allerdings unterschiedliche Moratorien mit unterschiedlichen Bedingungen existieren.
  • Das Moratorium gilt nicht für Kreditverträge, die nach Verkündung des Moratoriums abgeschlossen werden.
  • Das Moratorium wurde aufgrund der Coronakrise vor dem 30. Juni 2020 verkündet und angewandt.

Sofern ein Moratorium diese allgemeinen Anforderungen nicht erfüllt, gelten die nachfolgenden Erleichterungen nicht automatisch. Stattdessen müssen die Auswirkungen eines solchen Moratoriums individuell vor dem Hintergrund der Vorgaben in Art 47b und Art 178 Abs. 3 d) CRR bewertet werden.

Das Moratorium gemäß Art. 240 EGBGB erfüllt diese Voraussetzungen. Zwar setzt es voraus, dass bei den Schuldnern infolge der Coronakrise Einnahmeausfälle auftreten, die eine Rückzahlung unzumutbar machen. Damit dürfte die Hilfe aber nicht unzulässig an die Kreditwürdigkeit dieser Schuldner geknüpft sein. Denn die EBA-Leitlinien dürften insofern nur eine Anknüpfung an die allgemeine Kreditwürdigkeit unabhängig von der Coronakrise ausschließen. Auch die Regelung, dass sich die Laufzeit der Kredite im Zweifelsfall um drei Monate verlängert und damit effektiv über den gesamten Zeitraum ein anderer Zinssatz gilt, dürfte die Anwendbarkeit der aufsichtsrechtlichen Erleichterungen nicht ausschließen. Denn eine solche Aussetzung bzw. Aufschub wird in TZ. 24 der Erläuterungen zu den EBA-Leitlinien ausdrücklich nicht als eine unzulässige Anpassung des Zinssatzes eingestuft.

Das deutsche Moratorium ist bei den Krediten gegenwärtig (noch) auf Verbraucher beschränkt, auch wenn es durch Rechtsverordnung auch auf Kleinstunternehmen und KMUs ausgedehnt werden kann. Sollte es aus Sicht der Kreditwirtschaft sinnvoll sein, das Moratorium gezielt auf bestimmte Bereiche etwa solche, die besonders stark von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind, auszudehnen, um auch für dort absehbare vorübergehende Zahlungsausfälle eine Erleichterung bei der aufsichtsrechtlichen Behandlung der Stundungen zu erreichen, bieten die EBA-Leitlinien nunmehr die Möglichkeit. Erforderlich wäre ein koordiniertes Zusammenwirken der Kreditwirtschaft, ggf. mit einer Einbeziehung von staatlichen Förderprogrammen z.B. durch die KfW, unter Berücksichtigung der Vorgaben aus den EBA-Leitlinien.

Bedeutung der allgemeinen Moratorien für Stundungen

Zahlungsaussetzungen aufgrund eines solchen allgemeinen Moratoriums sollen nicht als Stundung i.S.d. Art. 47b CRR angesehen werden und die damit verbundenen Folgen auslösen. Da es sich nicht um eine Stundung im aufsichtsrechtlichen Sinne handeln soll, ist eine solche Zahlungsaussetzung auch nicht als Hinweis i.S.d. Art. 178 Abs. 3 lit. d CRR darauf zu sehen, dass die Verbindlichkeit wahrscheinlich nicht beglichen wird.

Bedeutung der allgemeinen Moratorien für Ausfall von Verbindlichkeiten

Zahlungsaussetzungen aufgrund eines solchen allgemeinen Moratoriums wirken sich auf die Beurteilung des Ausfalls von Verbindlichkeiten aus: So ist die 90-Tage-Verzugsfrist des Art. 178 Abs. 1 lit. b CRR nach den Vorgaben der EBA-Leitlinien zu Art. 178 CRR entsprechend anzupassen. Kreditinstitute sollen die überfälligen Tage auf der Grundlage des revidierten Zahlungsplans zählen, der sich aus der Anwendung des Moratoriums ergibt. Allerdings soll die Wahrscheinlichkeit von Zahlungsausfällen auch in dieser Zeit weiterhin nach der üblichen Praxis geprüft werden. Insbesondere müssen langfristige Risiken weiter berücksichtigt werden. Dabei sollen jeweils die gegenwärtigen Umstände aufgrund der Coronakrise berücksichtigt werden, insbesondere auch etwaige weitere staatliche Unterstützungsmaßnahmen.

Berichts- und Dokumentationspflichten

Falls Kreditinstitute ein allgemeines nicht-gesetzliches Moratorium anwenden, müssen sie dies der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde mitteilen und weitere Informationen zu diesem Moratorium übermitteln. Zudem sollen die Kreditinstitute Informationen vorhalten über den Umfang der Verbindlichkeiten, für die ein Moratorium erlassen und angewendet wird, über die Beträge, die aufgrund des Moratoriums suspendiert werden, sowie über die Verluste aufgrund des Moratoriums.

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