Unterstützung für die Kreditwirtschaft in der Corona-Krise II – EU-Kommission begrenzt Beihilfe- und BRRD-Risiken

Dr. Nina Scherber,
Dr. Lars Röh
Tuesday March 24th, 2020

Damit die aufgrund der Corona-Krise dringend erforderlichen Kredite und Garantien für die Wirtschaft im Einklang mit den Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrecht stehen und innerhalb der EU nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen, hat die Europäische Kommission am 19. März 2020 ihre Mitteilung „Befristeter Rahmen für staatliche Beihilfemaßnahmen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19“ („Befristeter Rahmen“) veröffentlicht. Der befristete Rahmen ergänzt dabei die Mitteilung der Kommission „Mitteilung über eine koordinierte wirtschaftliche Reaktion auf die COVID-19-Pandemie“ vom 13. März 2020, in der die Kommission beihilfekonforme Handlungsmöglichkeiten der Mitgliedsstaaten zur Abmilderung der ökonomischen Folgen des COVID-19 Ausbruchs erläutert.

Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausgestaltung ihrer durch die Corona-Krise erforderlich gewordenen Rettungspakete zur Stabilisierung der Wirtschaft die Vorgaben des europäischen Beihilferechts zu beachten. Mit dem befristeten Rahmen erweitert die EU-Kommission nun die Möglichkeiten, nach denen die Mitgliedstaaten den Unternehmen im Rahmen von Art. 107 Abs. 3 lit. b AEUV aufgrund der Corona-Krise staatlichen Beihilfen gewähren können.

1.  Banken haben tragende Funktion im Rahmen der Krisenbewältigung

Nach Ansicht der EU-Kommission kommt bei der Bewältigung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs für die Realwirtschaft gerade dem Bankensektor eine Schlüsselrolle zu, indem er den Kreditfluss an die Wirtschaft aufrechterhält. Vor diesem Hintergrund enthält der befristete Rahmen Vorgaben, die für die Tätigkeit von Banken bei der Kredit- und Fördermittelvergabe im Rahmen der staatlichen Corona-Hilfsprogramme von Bedeutung sind. Der befristete Rahmen zeigt beispielsweise auf, wie Staatshilfen, die über Kreditinstitute oder sonstige Finanzinstitute der Realwirtschaft zugeleitet werden, beihilferechtlich zu bewerten sind. Mit Blick auf eine mögliche Ausweitung der Krise auf den Bankensektor skizziert die Mitteilung außerdem das Zusammenspiel zwischen Beihilferecht und dem europäischen Bankenabwicklungsregime, das in der europäischen Bankenabwicklungsrichtlinie (BRRD) geregelt ist.

2. Indirekte Vorteile für Banken begründen keine außerordentliche öffentliche finanzielle Unterstützung

Der befristeten Rahmen macht deutlich, wie eng das Kreditgeschäft mit dem für den Bankensektor geltenden Beihilfevorschriften sowie den Bankenabwicklungsvorschriften der BRRD und SRM-VO verzahnt ist. So können Beihilfen, die als Garantien für Darlehen oder in Form von zinsvergünstigten Darlehen über Kreditinstitute als Finanzintermediäre an die betroffenen Unternehmen gewährt werden, grundsätzlich auch für die Kreditinstitute selbst indirekte Vorteile begründen. Solche indirekten Beihilfen sind jedoch nicht darauf gerichtet, die Lebensfähigkeit, Liquidität oder Solvenz der Kreditinstitute zu erhalten oder wiederherzustellen. Die EU-Kommission sieht deshalb hierin keine außerordentliche öffentliche finanzielle Unterstützung gemäß Art. 2 Absatz 1 Nr. 28 BRRD und Art. 3 Abs. 1 Nr. 29 SRM-VO.

Damit schließt die EU-Kommission aus, dass durch derartige indirekte Vorteile das Vorliegen einer Bestandsgefährdung (Art. 32 Abs. 4 d) BRRD bzw. Artikel 18 Abs. 4 d) SRM-VO) begründet und damit ein erster Schritt in Richtung eines Abwicklungsszenarios eröffnet würde. Derartige indirekte Beihilfen werden von der EU-Kommission daher auch nicht nach den für den Bankensektor geltenden Beihilfevorschriften bewertet.

3. Schutzmaßnahmen sollen Wettbewerbsverzerrungen begrenzen

Dessen ungeachtet hält es die EU-Kommission für erforderlich, mit Blick auf mögliche indirekte Beihilfen zugunsten von Kreditinstituten oder anderer Finanzinstitutionen bestimmte Schutzmaßnahmen einzuführen, um unangemessene Wettbewerbsverzerrungen zu begrenzen. Der befristete Rahmen weist daher darauf hin, dass Kreditinstitute die Vorteile der öffentlichen Garantie oder der subventionierten Zinssätze für Darlehen so weit wie möglich an die Endbegünstigten weitergeben sollen. Ferner muss der Finanzintermediär nachweisen können, dass er einen Mechanismus anwendet, der sicherstellt, dass die Vorteile so weit wie möglich an die Endbegünstigten weitergegeben werden, etwa in Form von höheren Finanzierungsvolumina, risikoreicheren Portfolios, geringeren Anforderungen an Sicherheiten, niedrigeren Garantieprämien oder niedrigeren Zinssätzen. Sofern eine gesetzliche Verpflichtung zur Verlängerung der Laufzeit bestehender Darlehen für KMU besteht, darf außerdem keine Garantiegebühr erhoben werden.

4. COVID-19-Ausbruch kann als schwere Störung der Volkswirtschaft direkte Unterstützung für Banken rechtfertigen

Zwar sind europäische Banken nach Ansicht europäischer und nationaler Aufsichtsbehörden sowie der EU-Kommission heute besser kapitalisiert und damit krisenfester als vor der Finanzkrise 2008/2009. Der befristete Rahmen gibt dennoch Hinweise dazu, wie etwaige direkte Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln für Banken, die infolge des COVID-19-Ausbruchs selbst in Schwierigkeiten geraten, in beihilferechtlicher Hinsicht zu bewerten sind.

Angesichts des Ausmaßes der Corona-Krise sieht die EU-Kommission es offenbar als möglich an, von der Ausnahmevorschrift in Art. 32 Abs. 4 d) (i), (ii) oder (iii) BRRD Gebrauch zu machen. Danach wäre zunächst zu prüfen, ob etwaige Liquiditäts- oder Rekapitalisierungsmaßnahmen für notleidende Banken die Voraussetzungen von Art. 32 Abs. 4 d) (i), (ii) oder (iii) BRRD erfüllen und damit keine Bestandsgefährdung bei den betroffenen Kreditinstituten begründen. Die Ausnahmevorschrift erlaubt in bestimmten Fällen außerordentliche Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln, sofern die staatliche Unterstützung zur Abwendung einer schweren Störung der Volkswirtschaft und zur Wahrung der Finanzstabilität in bestimmter Form erfolgt. Denkbar wären hiernach Liquiditätsgarantien oder vorsorgliche Rekapitalisierungen. Soweit solche Maßnahmen Probleme angehen, die durch den COVID-19-Ausbruch hervorgerufen wurden, begründet dies nach Ansicht der EU-Kommission einen Ausnahmefall, der es erlaubt, von dem beihilferechtlichen Grundsatz der Lastenverteilung durch Inanspruchnahme der Anteilseigner und nachrangiger Gläubiger abzusehen.

5. EU-Kommission genehmigt deutsche Beihilferegelungen

Am 22. März 2020 hat die EU-Kommission bereits die ersten deutschen Beihilferegelungen auf Grundlage des befristeten Rahmens genehmigt. Dabei handelt es sich um zwei separate Unterstützungsmaßnahmen, die von der KfW umgesetzt werden sollen. Eine der Maßnahmen sieht die oben angesprochene Zusammenarbeit von KfW und Privatbanken vor, um als Konsortium größere Darlehen bereitstellen zu können. Nach Ansicht der EU-Kommission erfüllen die angemeldeten Hilfsmaßnahmen Deutschlands die beihilferechtlichen Vorgaben des befristeten Rahmens.

Mehr zum Thema lesen Sie auch in unserem weiteren Blogbeitrag Unterstützung für die Kreditwirtschaft in der Corona-Krise I – EZB, EBA und BaFin lockern bankaufsichtsrechtliche Vorgaben.

 

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