Gewerbemietverträge in der Corona-Krise

Die Corona-Krise stellt zunehmend auch Mieter und Vermieter von Gewerbeflächen vor große Herausforderungen, wenn die Mieter aufgrund von Umsatzeinbrüchen z.B. wegen angeordneter Schließungen den Mietzins nicht mehr zahlen können. Dann dürfte in einem Großteil der Fälle für beide Vertragspartner der Erhalt des Mietverhältnisses im Mittelpunkt stehen, um bei Rückkehr zur Normalität den Betrieb und das Vermietungsgeschäft unverändert fortsetzen zu können. Bisher stand aber auch zu befürchten, dass viele Vermieter die Gelegenheit ergreifen, um unliebsam gewordene Mietverhältnisse zu beenden.
Dr. Anneke Flatow
Monday March 23rd, 2020

Die Bundesregierung hat reagiert und zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie am 23. März 2020 einen Gesetzesentwurf beschlossen, wonach u.a. Betroffenen, die wegen der Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbringen können, ein Aufschub gewährt wird.

1. Beschränkung der Kündigungsrechte des Vermieters

Für Mieter und Pächter ist die gute Nachricht, dass Vermieter in der Corona-Krise allein wegen Mietschulden nicht mehr aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos (oder wegen berechtigtem Interesse ordentlich) kündigen können.

Das Kündigungsrecht wird für Mietverhältnisse über Grundstücke oder Räume und Pachtverhältnisse in Artikel 240 § 2 Abs. 1 und 3 EGBGB (neu) zeitlich befristet eingeschränkt. Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 können Vermieter bis zum 30. Juni 2022 nicht mehr kündigen, wenn die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der relevante Zeitraum kann durch Rechtsverordnung bis zum 30. September 2020 und unter Beteiligung des Bundestages ggf. auch nochmals verlängert werden.

Im Streitfall muss der Mieter dem Vermieter den Zusammenhang zwischen Pandemie und Nichtleistung glaubhaft machen. Er muss dann Tatsachen darlegen, aus denen sich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass seine Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht. Dem Vermieter steht dann der Beweis des Gegenteils offen. Dieser dürfte ihm in der Regel aber sehr schwerfallen und jedenfalls dann nicht möglich sein, wenn der Betrieb des Mieters zu einer typischerweise von der Krise betroffenen Branche gehört.

Faktisch dürfte dieses Gesetz dazu führen, dass nach und nach ein erheblicher Teil der Mieter die Mietzahlungen reduzieren oder einstellen wird.

Zu empfehlen ist allen Mietern, die den Mietzins Corona-bedingt nicht mehr leisten können, nicht einfach die Mietzahlung einzustellen, sondern den Vermieter rechtzeitig zu informieren, ihm Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorzulegen, ein Gespräch über Lösungsmöglichkeiten zu suchen und möglichst eine Vereinbarung über den Erlass, eine Reduzierung oder zumindest eine Stundung der Miete mit dem Vermieter zu schließen (dazu s. unter 3.). So lässt sich eine Auseinandersetzung im Zweifel vermeiden und zudem ein Anspruch des Vermieters auf Verzugsschäden und eine wirksame Kündigung sicher ausschließen.

2. Haben Mieter ein Recht zur Minderung und Kündigung? – Anspruch auf Vertragsanpassung

Das neue Gesetz sieht – anders als bei anderen Verträgen – kein Leistungsverweigerungsrecht der Mieter vor. Sie bleiben daher grundsätzlich weiter zur Mietzinszahlung verpflichtet und haften für Verzugsschäden des Vermieters. Ihnen wird auch kein zusätzliches oder erleichtertes Kündigungsrecht im Fall von Zahlungsschwierigkeiten eingeräumt.

An ein Minderungs- und mangelbedingtes Kündigungsrecht ist zu denken, wenn die Ausübung des Betriebes des Mieters wegen Corona behördlich beschränkt oder ganz untersagt wird. Grundsätzlich gilt nämlich, dass der vereinbarte Mietzweck in der Mietsache öffentlich-rechtlich zulässig verfolgt werden können muss; anderenfalls liegt ein Mangel vor. Die Corona-bedingten Verbote sind jedoch weder in dem Zustand des Mietgegenstandes noch in der Person des Mieters begründet und von keiner Vertragspartei zu vertreten. Es ist offen, wie das deutsche Mietrecht das Risiko der Unmöglichkeit der Nutzung des Mietgegenstandes zum vereinbarten Mietzweck bei einer solch unvorhersehbaren, außergewöhnlichen „Weltviruskrise“ im Verhältnis der Mietvertragsparteien verteilt. Das dürfte streitig werden und muss künftig vom Gesetzgeber oder den Gerichten entschieden werden. Im Einzelfall hängt es zudem von dem vereinbarten Mietzweck und den konkreten Regelungen des Mietvertrages ab.

Wir meinen, dass es sich bei den behördlichen bzw. gesetzlichen Anordnungen und Verboten im Rahmen der Pandemie weder um einen Mangel der Mietsache handelt noch der Mieter insoweit das Risiko der Zweckverwirklichung zu tragen hat. Es liegt vielmehr eine fundamentale Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs.1 BGB vor, vergleichbar mit den von der Rechtsprechung anerkannten Fällen der Gefahr von Kriegsschäden, Naturkatastrophen, drohender Existenzvernichtung durch äußere Umstände usw. Soweit der Staat den Mietvertragsparteien das wirtschaftliche Risiko nicht zukünftig noch ganz oder teilweise z.B. durch Entschädigungen abnehmen wird – das bleibt abzuwarten -, sind die Lasten gerecht zwischen ihnen zu verteilen. Beide Parteien haben insoweit Anspruch auf eine Vertragsanpassung. Das Wie hängt vom jeweiligen Sachverhalt und den Eigenheiten der konkreten Vertragsbeziehung ab und bedarf einer Einzelfallprüfung.

3. Erlass, Reduzierung und Stundung der Miete – Schriftformerfordernis

Immer mehr Vermieter sind in der aktuellen Situation bereit, die Miete ganz oder teilweise zu erlassen oder diese zumindest für einen gewissen Zeitraum zu stunden. Das mag auf der Einsicht beruhen, dass es nicht Sache der Mieter sein kann, die Folgen dieser unvorhersehbaren Situation allein zu schultern, oder geschieht schlicht aus Eigeninteresse, wenn anderenfalls ein längerer Leerstand der Flächen zu befürchten steht.

Bei gewerblichen Mietverträgen mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr stellt sich für Vermieter wie Mieter gleichermaßen die Frage, ob solche Abreden über Mieterlass, -reduzierung oder -stundung der Schriftform bedürfen. Wäre dies nämlich der Fall, würden derartige Vereinbarungen, die in Zeiten von Homeoffice und Ausgangssperren im Zweifel überwiegend telefonisch oder per einfacher E-Mail getroffen werden, ungeachtet der vertraglich vereinbarten Mietzeit nach § 550 BGB zur ordentlichen Kündbarkeit der Mietverhältnisse führen. Dies dürfte in den meisten Fällen von mindestens einer Vertragspartei nicht gewollt sein.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist jede Änderung der Miethöhe – und sei sie noch so klein – vertragswesentlich und bedarf, jedenfalls sofern die Änderung für mehr als ein Jahr erfolgt und nicht jederzeit vom Vermieter widerrufen werden kann, der Schriftform. Nicht höchstrichterlich geklärt ist dagegen soweit ersichtlich, ob auch Stundungen oder Änderungen der Miethöhe für einen kürzeren Zeitraum der Schriftform bedürfen, wenn die Miete vollständig erlassen oder erheblich reduziert wird. Dies wird teilweise in der untergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur bejaht.

Deshalb ist in jedem Fall der Abschluss eines Nachtrages zum Mietvertrag unter genauer Beachtung der Schriftformerfordernisse zu empfehlen.

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