Grünes Licht für GEPSI?
Kräfte bündeln und durch gemeinsame Aktionen Veränderungen bei Portfoliounternehmen bewirken – das ist das erklärte Ziel, das der Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung mit seiner Engagement-Plattform GEPSI („German Engagement Platfom for Sustainable Impact“) verfolgt. Dahinter steht der Gedanke, dass Investorinnen und Investoren bei der ökologischen und sozialen Transformation der Wirtschaft mehr erreichen können, wenn sie ihr ESG-bezogenes Verhalten untereinander abstimmen (sog. „Collaborative Engagement“). Dafür soll GEPSI als Plattform für Austausch und Abstimmung dienen.
„Collaborative Engagement“ und Stimmrechtszurechnung
Das Problem ist nur: Ein solches „acting in concert“ mag unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zwar wünschenswert sein. Es führt jedoch auch dazu, dass die beteiligten Investorinnen und Investoren mit Blick auf den Emittenten einen informatorischen Vorteil erlangen, dem das Kapitalmarktrecht im Rahmen der sog. Beteiligungspublizität (§§ 33 ff. WpHG) durch umfassende Informationspflichten begegnet. Entsprechend können derartige Verhaltensabsprachen den Zurechnungstatbestand des § 34 Abs. 2 WpHG erfüllen, nach dem sich die beteiligten Investorinnen und Investoren die von ihnen gehaltenen Stimmrechtsanteile wechselseitig zurechnen lassen müssen. Die Zurechnung erfolgt dabei in zwei Fällen, nämlich wenn die Investorinnen und Investoren entweder (i) sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder (ii) mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken. Vereinbarungen in Einzelfällen bleiben in beiden Tatbestandsalternativen ausgenommen (sog. Einzelfallausnahme).
Werden infolge der Zurechnung bestimmte Schwellenwerte erreicht, ist dies gem. §§ 33 ff. WpHG meldepflichtig. Bei Erreichen der Kontrollschwelle von 30 % sind die Beteiligten – aufgrund der gleichlaufenden Zurechnungsnorm des § 30 Abs. 2 WpÜG – gemäß § 35 WpÜG sogar zur Abgabe eines Pflichtangebots verpflichtet. Kommen die Investorinnen und Investoren ihren kapitalmarktrechtlichen Pflichten nicht nach, drohen Rechtsverlust (§ 44 WpHG, § 59 WpÜG) und Bußgelder (§ 120 WpHG, § 60 WpÜG).
BaFin schafft Klarheit – aber nur begrenzt
Auf Bitten des Sustainable-Finance-Beirats hat die BaFin daher Stellung bezogen, in welchen Fällen das „Collaborative Engagement“ die Zurechnungstatbestände der § 34 Abs. 2 WpHG, § 30 Abs. 2 WpÜG (nicht) erfüllt. Dabei beschreibt die BaFin in sechs Beispielsfällen, ob jeweils eine Stimmrechtsabsprache vorliegt und ob die Einzelfallausnahme greift. Danach soll z.B. die gemeinsame Vereinbarung eines Gesprächs zum Menschenrechts- oder Klimaschutz mit dem Aufsichtsrat oder Vorstand keine Stimmrechtsabsprache sein (Beispiel 1). Das gleiche gilt für einen gemeinsamen Brief an die Vorsitzende des Aufsichtsrats oder des Vorstands, in dem z.B. eine Emissionsreduktionsstrategie gefordert wird (Beispiel 2). Verständigen sich die Investorinnen und Investoren dagegen, „als Eskalationsmechanismus bei einem Unternehmen, das aus ihrer Sicht nicht ausreichend ambitionierte Klimaziele verankert hat, ein Ergänzungsverlangen zu einer Hauptversammlung zu formulieren und einzureichen, in dem sie die Reduzierung des CO2-Ausstoßes fordern“, handelt es sich um eine Stimmrechtsabsprache (Beispiel 6).
Diese Beispiele sind zwar hilfreich, soweit sie jeweils reichen. Ob sie dazu beitragen, Investorinnen und Investoren rechtssicher ihre Beteiligungsmöglichkeiten bei einer Engagement-Plattform aufzuzeigen, darf aber bezweifelt werden. Als Aufsichtsbehörde ohne Rechtsetzungskompetenz hätte die BaFin den Tatbestand der Stimmrechtszurechnung auch gar nicht einschränken können. Wer sich trotzdem mehr erhofft hatte – z.B. eine Bereichsausnahme für Abstimmungen über ESG‑Belange nach Art der „White List“ der EU-Kommission –, dürfte jetzt enttäuscht sein.
Hinzu kommt, dass sich nach Ansicht der BaFin die zweite Tatbestandsvariante der § 34 Abs. 2 WpHG, § 30 Abs. 2 WpÜG – d.h. dem Zusammenwirken „in sonstiger Weise“ – einer abstrakten Beurteilung entzieht. Diese Tatbestandsvariante dürfte aber gerade für ESG-Themen von Bedeutung sein, weil die Abkehr von der reinen „shareholder value“-Lehre regelmäßig zu einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten führen dürfte. Insoweit bleibt es bei einer Einzelfallprüfung und der damit verbundenen Rechtsunsicherheit.
Grünes Licht für GEPSI?
Schließlich gibt auch das eigentliche Fazit des BaFin-Statements zur Engagement-Plattform den Investorinnen und Investoren Steine statt Brot. Danach soll „allein durch die Mitgliedschaft in bzw. die Beteiligung an einer allgemeinen Engagement-Plattform […] grundsätzlich noch kein acting in concert ausgelöst werden, da hierin regelmäßig schon tatbestandlich noch keine Verhaltensabstimmung liegen wird.“ Dass bei einer „allgemeinen“ Plattform „grundsätzlich“ bzw. „regelmäßig“ keine Stimmrechtszurechnung stattfindet, bedeutet aber nicht, dass es im Einzelfall anders nicht sein kann. Auch insoweit gibt die BaFin nur begrenzt grünes Licht für GEPSI.
Dennoch wird man resümieren können: Investorinnen und Investoren, die sich an der Engagement-Plattform beteiligen wollen, werden dies nach Auffassung der BaFin auch tun können, ohne eine Stimmrechtszurechnung und damit verbundene Meldepflichten befürchten zu müssen. Sie sollten aber bei jeder Vereinbarung über die Plattform sehr genau prüfen, inwieweit damit eine Stimmrechtsabsprache verbunden ist und ob die Maßnahme nicht tiefgreifend in die unternehmerische Ausrichtung des Emittenten eingreift. Insoweit bleibt zunächst alles beim Alten.