Nachhaltigkeit jetzt auch in Säule 1? EBA untersucht supporting und penalising factors in der Eigenmittelunterlegung
Worum geht es?
Das Diskussionspapier (Diskussionspapier) steht im Zusammenhang mit den Prüfmandaten der EBA aus Art. 501c CRR und Art. 34 der Verordnung EU 2019/2033 -IFR. Danach soll die EBA bis 2025 Berichte („EBA-Berichte“) dazu vorlegen, ob eine spezielle aufsichtliche Behandlung von Risikopositionen im Zusammenhang mit Vermögenswerten gerechtfertigt wäre, die in erheblichem Maße mit ökologischen und/oder sozialen Zielen verbunden sind. Dahinter verbirgt sich die stark umstrittene Frage, ob bestimmte Kredite, die der Finanzierung ökologischer oder sozialer Ziele dienen, durch einen „supporting factor“ privilegiert werden sollen.
In ihrem Bankenpaket aus Oktober 2021 (Blog_Bankenpaket)) hat die EU-Kommission nun vorgeschlagen, die EBA-Berichte zeitlich von 2025 auf 2023 vorzuziehen. Der Vorschlag erweitert zudem den ursprüngliche Prüfauftrag inhaltlich dahingehend, dass auch die aufsichtsrechtliche Behandlung von Risikopositionen mit ökologischen und/oder sozialen Auswirkungen bewertet werden soll. Neben dem supporting factor soll nach dem Vorschlag der EU-Kommission also auch ein möglicher „penalising factor“ durch die EBA untersucht werden. Es geht dabei einerseits um die Bewertung von Risikopositionen, die im Zusammenhang mit Energie und Ressourceneffizienz sowie Infrastruktur und Verkehrsflotten stehen. Anderseits soll auch die Möglichkeit einer gezielten Kalibrierung von Risikogewichten für Risikopositionen untersucht werden, die mit einem besonders hohen Klimarisiko verbunden sind, wie dies etwa bei Finanzierungen von Sektoren mit hohen Klimaauswirkungen, (z.B. fossile Brennstoffe) der Fall sein kann.
Mit ihrem am 2. Mai 2022 vorgelegten Diskussionspapier konsultiert die EBA ihren ersten Analysestand zu diesem Thema, um auf diese Weise die hochkomplexe und strittige Frage einer adäquaten Eigenmittelunterlegung von Risikopositionen im ESG-Kontext möglichst umfassend und unter Berücksichtigung vielfältiger Aspekte in ihrem finalen Bericht behandeln zu können.
Risikotreiber von Umweltrisiken können über bereits existierende Mechanismen berücksichtigt werden
Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Eigenmittelunterlegung sollen keine politischen Ziele verfolgen, sondern die Risikoprofile der Engagements von Instituten widerspiegeln. Um dieser häufig im Zusammenhang mit einem supporting factorgeäußerten Kritik zu begegnen, weist das Diskussionspapier gleich zu Beginn darauf hin, dass die Analyse einen risikobasierten Ansatz verfolgt. Nach Ansicht der EBA hat sich in ihrer Analyse gezeigt, dass
der Aufsichtsrahmen der Säule 1 bereits Mechanismen enthält, um neue Arten von Risikotreibern, z.B. im Zusammenhang mit Umweltrisiken, zu berücksichtigen. Dazu zählen interne Modelle, externe Kreditratings und Bewertungen von Sicherheiten und Finanzinstrumenten.
Untersuchung zu Sozialfaktoren kommt später
Wenngleich das Prüfmandat der EBA auch die aufsichtliche Behandlung von Risikopositionen, die im Zusammenhang sozialen Zielen stehen, umfasst, konzentriert sich die EBA in ihrer Untersuchung zunächst auf die Eigenmittelunterlegung im Zusammenhang mit Umweltzielen bzw. umweltschädlichen Vermögenswerten. Zu einem späteren Zeitpunkt soll dann auch die Behandlung von Risikopositionen im sozialen Kontext sowie deren mögliche Wechselwirkung mit Umweltrisiken näher untersucht werden. Die Ausklammerung sozialer Faktoren ist darauf zurückzuführen, dass deren Festlegung im Vergleich zu Umweltfaktoren augenblicklich noch schwieriger ist: So sind infolge der schrittweisen Einführung der Taxonomie-Verordnung, die sich zunächst auf Umweltfaktoren konzentriert hat, derzeit erst wenige quantitative Analysen, Definitionen und Verweise zu sozialen Faktoren verfügbar. Die EBA weist jedoch darauf hin, dass auch soziale Ziele bzw. Auswirkungen zu finanziellen Risiken führen könnten, da sie einerseits eng mit Umweltrisiken verbunden sind, andererseits aber auch durch Veränderungen in der Politik und Stimmung am Markt im Hinblick auf den sozialen Wandel hin zu einer gerechteren Gesellschaft verursacht werden können.
Gezielte Änderungen des bestehenden Aufsichtsrahmens oder spezifische risikogewichtete Anpassungsfaktoren?
Über die bestehenden Mechanismen hinaus untersucht das Diskussionspaper gezielte Verbesserungen oder Klarstellungen innerhalb des bestehenden aufsichtlichen Rahmens, um Umweltrisiken spezieller zu adressieren. Daneben wird auch die Einführung spezifischer risikogewichteter Anpassungsfaktoren analysiert. Da deren Ausgestaltung und Implementierung jedoch als herausfordernd angesehen wird, hält die EBA – jedenfalls nach den ersten Analyseergebnissen – gezielte Änderungen am bestehenden aufsichtlichen Rahmen gegenüber der Einführung von risikogewichteten Anpassungsfaktoren für vorzugswürdig.
Wie können Umweltrisiken im Rahmen des Kreditrisikos erfasst werden?
Für eine gezielte Änderung am bestehenden Aufsichtsrahmen in Bezug auf das Kreditrisiko untersucht die EBA im 5. Kapitel des Diskussionspapiers sowohl mögliche Änderungen im Standardansatz sowie im IRB-Ansatz. Dabei sollen alle möglichen Änderungen auf einem risikobasierten Ansatz beruhen, um eine Übereinstimmung der aufsichtlichen Anforderungen mit den zugrunde liegenden Risiken zu erzielen und die Widerstandsfähigkeit der Institute gegenüber solchen Risiken zu verbessern. Da der IRB-Ansatz konzeptionell risiko-sensitiver ist als der Standardansatz, eignet er sich nach Ansicht der EBA grundsätzlich besser, neue Risiken zu erfassen.
Ausführlich geht die EBA in diesem Kapitel auf die Einführung von Anpassungsfaktoren ein und stellt deren Pro- und Contra-Argumente tabellarisch gegenüber. Insgesamt nimmt die EBA eine vorsichtige Haltung gegenüber Anpassungsfaktoren ein und hält diese nur unter bestimmten Bedingungen, u.a. wenn eindeutig erwiesen sei, dass bestimmte Vermögenswerte aufgrund umweltbedingter Risikofaktoren unterschiedliche Risikoprofile aufweisen, für gerechtfertigt.
Die größte Herausforderung bei Anpassungsfaktoren liegt nach Ansicht der EBA derzeit in der unzureichenden Identifizierung und Quantifizierung von Umweltrisikotreibern aufgrund fehlender aussagekräftiger Beweise, Daten und Methoden. Dies hat zur Folge, dass der Umfang und die Größe der Anpassungsfaktoren nur auf einer unsicheren Basis bestimmt werden könnten.
Datenmangel und Unsicherheiten bei verbleibenden Risikokategorien
Auch für das Marktrisiko und für operationelle Risiken, die wie das Konzentrationsrisiko jeweils in eigenen Kapiteln erörtert werden, analysiert die EBA die Interaktion von Umweltrisiken. Aufgrund fehlender Daten und Erfahrungen besteht bislang noch Unklarheit, wie sich Umweltfaktoren und -risiken auf das Marktrisiko auswirken bzw. ob und inwieweit sie zu operationellen Risiken führen können. In diesen Bereichen sollten die Institute daher zunächst Umweltfaktoren identifizieren, die operationelle Risiken hervorrufen, und Schätzungen durchführen, welche umweltbezogenen Risiken Einfluss auf das Marktrisiko haben könnten. Im Hinblick auf Konzentrationsrisiken könnte nach Ansicht der EBA die Einführung neuer Überwachungs- und Meldestandards innerhalb der bestehenden Regelungen in Betracht gezogen werden, um das Verständnis von Umweltrisiken und ihren Auswirkungen zu verbessern.
Auch das Aufsichtsregime für Wertpapierfirmen wird untersucht
Einen gesonderten Abschnitt widmet die EBA (9. Kapitel) Wertpapierfirmen, die die auf den K-Faktoren basierende Methoden bei der Eigenmittelunterlegung anwenden, worunter weder kleine, nicht vernetzte Wertpapierfirmen zählen noch die systemrelevanten Unternehmen, die denselben Risikoarten ausgesetzt sind wie Kreditinstitute, Die seitens der EBA angestellten Analysen deuten darauf hin, dass diese untersuchte Gruppe der Wertpapierfirmen einem Reputationsrisiko und einem Geschäftsmodellrisiko ausgesetzt sein können, wenn bei Zusammensetzung der verwalteten Vermögenswerte deren Umweltprofil nicht berücksichtigt werde.
Ausblick
Die EBA zieht in ihrem Diskussionspapier viele Handlungsoptionen in Betracht, formuliert diese aber (bewusst) zurückhaltend. Endgültige Schlussfolgerungen werden nicht getroffen, es geht vielmehr um Problemanalyse und um die Einholung von Feedback. Dieses kann in Form von Stellungnahmen bis zum 02. August 2022 eingereicht werden.