Bankenaufsicht durch die EZB: Klagen zeigen erste Erfolge
Europäisierung der Bankenaufsicht nach der Krise
Eine Lehre aus der Finanzkrise war, dass es einer zentralen europäischen Aufsichtsbehörde für Banken bedarf, um die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen. Der europäische Gesetzgeber zog daraufhin den sog. Einheitlichen Aufsichtsmechanismus aus dem Hut. Die EZB nimmt seitdem die direkte Aufsicht über alle „bedeutenden“ Banken und die indirekte Aufsicht über alle „weniger bedeutenden“ Banken wahr. In den Einzelheiten mutet dieser Mechanismus teils „höchst exotisch“ an. Er wird zutreffend als „Versuchslabor“ für die Europäisierung von Verwaltungsaufgaben beschrieben.
„Gegen die Aufsicht klagt man nicht“ gilt nicht mehr
Unter welchen Bedingungen dieser Versuch gelingen kann, entscheiden gerade die europäischen Gerichte. Die Unsicherheit, die der neue Aufsichtsmechanismus verursacht, ist groß. Mehrere Banken haben deswegen entgegen ihrer bisherigen Gewohnheit ihre Aufsichtsbehörde verklagt. Die ersten Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union (EuG) sind ergangen. Es ist deswegen Zeit, einen näheren Blick auf die bisherigen Erkenntnisse zu werfen.
Lessons learned I: An der Zuständigkeit der EZB wird nicht gerüttelt
Die erste Entscheidung des EuG erging im Mai 2017 (Pressemitteilung). Die Landeskreditbank Baden-Württemberg hatte dagegen geklagt, als „bedeutende“ Bank eingestuft und damit von der EZB beaufsichtigt zu werden. Als Förderbank eines Bundeslandes mit niedrigem Risikoprofil sieht sie sich – stark vereinfacht gesagt – als eine eher wenig bedeutende Gefahr für die Sicherheit des europäischen Finanzsystems an. Deswegen hatte die L-Bank die in den entsprechenden Regelungen vorgesehene Ausnahme von der EZB-Aufsicht wegen „besonderer Umstände“ beantragt. Diese Ausnahme hätte die weitere Beaufsichtigung durch die BaFin ermöglicht.
Das EuG lehnte diese Ausnahme für die L-Bank nicht nur ab. Es legte die Ausnahmevorschrift gleich so eng aus, dass ein praktischer Anwendungsbereich kaum noch erkennbar ist. Zudem stützte es bei dieser Gelegenheit die Auffassung der EZB, dass die ausschließliche Zuständigkeit bei Beaufsichtigung von Banken im größtmöglichen Umfang auf die EZB übergegangen ist – nämlich komplett. Die von den nationalen Aufsichtsbehörden wahrgenommene direkte Aufsicht über die „weniger bedeutenden“ Kreditinstitute sei nur die dezentrale Umsetzung der EZB-Zuständigkeit. Die Entscheidung wird demnächst vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüft.
Lessons learned II: Auch die EZB muss ihre Entscheidungen vernünftig begründen
In weiteren Urteilen im Juli 2018 hat das EuG indes mehrere Entscheidungen der EZB für nichtig erklärt (Pressemitteilung). Es ging dabei nicht um Fragen der Zuständigkeit, sondern um materielle Rechtsfragen bei der Berechnung der Verschuldungsquote. Die EZB hatte den Antrag von sechs französischen Kreditinstituten abgelehnt, bei der Berechnung der Verschuldungsquote bestimmte Risikopositionen im öffentlichen Sektor unberücksichtigt zu lassen.
In diesen Fällen kritisierte das EuG, dass die EZB die Ablehnung der Ausnahme nur mit Aspekten begründet hat, die bei den von der Ausnahme betroffenen Risikopositionen stets vorliegen. Die Ausnahme liefe dadurch praktisch leer. Darüber hinaus rügte das EuG eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung seitens der EZB.
Und nun?
Der EuG unterstützt die weite Interpretation der Zuständigkeiten der EZB bei der Bankenaufsicht. Nicht nur „bedeutende“ Banken müssen sich also darauf einstellen, dass die EZB entscheidenden Einfluss nimmt. Andererseits wird die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben seitens der EZB durch den EuG streng kontrolliert. Eine Klage kann sich also lohnen.